Ein langes und gesundes Leben – wer träumt nicht davon? Viele Menschen möchte gerne alt werden und bis ins hohe Alter vital bleiben. Eine gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung, erholsamer Schlaf und wenig Stress gelten als wichtige Puzzleteile auf dem Weg dorthin. Im Zuge des Gesundheitstrends Longevity (Langlebigkeit) versprechen aktuell auch viele Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln, das Leben zu verlängern. Vor allem um Spermidin, NAD+ und Resveratrol gibt es in der Longevity-Szene einen regelrechten Hype.
Spermidin
Spermidin ist ein Stoff, der natürlicherweise im menschlichen Körper gebildet wird und außerdem in vielen Lebensmitteln steckt – etwa in Weizenkeimen, gereiftem Käse, Pilzen sowie in einer Vielzahl von Obst- und Gemüsesorten. Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln preisen Spermidin gern als wissenschaftlich fundiertes Anti-Aging-Wundermittel an. Ihre Argumentation stützt sich dabei auf Laborversuche, in denen der Stoff bei Hefezellen, Würmern und Fruchtfliegen offenbar die Lebensspanne verlängerte.1
Studien zur Wirkung von Spermidin auf den Menschen zeigen allerdings keine klaren gesundheitlichen Vorteile der Substanz. Selbst die Frage, ob eine besonders spermidinreiche Ernährung die Lebensdauer beeinflusst, bleibt weitestgehend unbeantwortet. Hinweise darauf liefert lediglich eine Beobachtungsstudie mit mehr als 800 Teilnehmenden, die nahelegt, dass Menschen mit einer spermidinreichen Kost möglicherweise länger leben.2
NAD/NAD+ und NMN
NAD ist die allgemeine Abkürzung für Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid. NAD+ steht für die oxidierte Form. NAD entsteht im Körper aus Niacin. Unter Niacin versteht man die beiden Substanzen Nicotinsäure und Nicotinamid. Gute Quellen sind Fisch, Fleisch, Brot, Erdnüsse und Pilze. Darüber hinaus kann der Organismus Niacin auch selbst aus der Aminosäure Tryptophan herstellen. Deshalb tragen sogar Lebensmittel, die wenig Niacin enthalten – etwa Milch oder Eier – durch ihren Tryptophangehalt zur Versorgung bei. Ein Mangel an Niacin ist hierzulande sehr selten und tritt meist nur im Zusammenhang mit Erkrankungen wie Magersucht, Alkoholabhängigkeit oder Leberzirrhose auf.3 Behauptungen, dass eine Einnahme von NAD-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln den Alterungsprozess umkehrt oder bei Demenz hilft, entbehren jeglicher wissenschaftlicher Grundlage.4
Das ebenfalls populäre NMN (Nicotinamidmononukleotid) gilt nach dem EU-Novel-Food-Katalog als neuartige Substanz und ist daher weder in Nahrungsergänzungsmitteln noch in anderen Lebensmitteln zugelassen. Wissenschaftliche Nachweise, dass NMN beim Menschen eine Art „Jungbrunnen“ darstellt, Gesundheit und Vitalität steigert oder die Lebensspanne verlängert, liegen bislang nicht vor.5
Resveratrol
Resveratrol zählt zu den sekundären Pflanzenstoffen und gehört innerhalb dieser Gruppe zu den Polyphenolen. Besonders hohe Konzentrationen finden sich in den Schalen roter Trauben, in Erdnüssen sowie im Japanischen Staudenknöterich. Für Nahrungsergänzungsmittel wird Resveratrol in der Regel aus Traubenschalen und -kernen oder aus dem Staudenknöterich gewonnen, inzwischen aber auch mithilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen produziert. Resveratrol wird oft mit Wirkungen wie Gewichtsreduktion oder Lebensverlängerung in Verbindung gebracht. Doch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bewertet entsprechende Gesundheitsversprechen kritisch: Aussagen zur antioxidativen Wirkung von Resveratrol oder zu einem möglichen Einfluss auf die Hautalterung gelten als wissenschaftlich nicht hinreichend belegt.6
Fazit
Wie sollten Verbraucherinnen und Verbraucher also mit den Werbeversprechen der vermeintlich lebensverlängernden Supplements umgehen? Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg rät zu einer gesunden Skepsis: „Klare Belege zur Wirkung von Spermidin, NAD oder Resveratrol fehlen. Was wir sehen, sind einzelne Hinweise aus Tier- oder Laborstudien. Diese werden oft plakativ dargestellt, sodass ein bestimmter Stoff als Wundermittel erscheint. Aber es gibt keine belastbare Grundlage, um zu sagen: Das ist wirksam und sinnvoll.“
Valet warnt vor gesundheitlichen Gefahren, die die unkontrollierte Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln generell mit sich bringen kann: „Das Risiko ist nicht zu unterschätzen. Gerade fettlösliche Vitamine wie A oder D können in zu hohen Dosen schädlich sein. Viele denken: „Das ist doch nur ein Nahrungsergänzungsmittel, das kann nicht schaden.“ Aber das stimmt nicht. Wer solche Mittel nutzen möchte, sollte das unbedingt mit einem Arzt absprechen und zunächst klären, ob überhaupt ein Mangel vorliegt.“
Der Verbraucherschützer rät dazu, stärker auf einen gesunden Lebensstil zu achten: „Wer etwas für seine Gesundheit tun will, sollte bei den Grundlagen anfangen: ausgewogen essen, regelmäßig bewegen, nicht rauchen. Das ist zwar mühsamer, aber nachweislich wirksam und sicher. Nahrungsergänzungsmittel sind kein Ersatz dafür.“