Overthinking ist ein Phänomen, das in jüngster Vergangenheit immer mehr Aufmerksamkeit bekommt. Wir erklären, was damit gemeint ist, welche Ursachen Overthinking hat und was man dagegen tun kann.
„Hätte ich mich doch nur für ein anderes Jobangebot entschieden!“ „Corona war erst der Anfang, die nächste Pandemie kommt bestimmt bald.“ „Ich bin zu dick – so werde ich nie eine Freundin finden.“
Was ist Overthinking?
Solche oder ähnliche Sätze kennen wohl die meisten von uns. Wenn man zu viel nachdenkt, entstehen oft negative und destruktive Denkmuster. Verliert man sich in ihnen, kommt es schnell zu einer Dauergrübelei mit negativen Auswirkungen auf Körper und Geist. Dieses Phänomen fasst man neuerdings gerne als „Overthinking“ zusammen.
Die oben beschriebenen Beispiele sind an sich noch nicht besonders problematisch, sofern sie nur vereinzelt und gelegentlich auftreten. Entwickeln sich daraus jedoch stetig wiederkehrende Muster, ist Vorsicht geboten, mahnt der Psychotherapeut und Vorsitzende des Bundesverbands der Vertragspsychotherapeuten Benedikt Waldherr: „Wenn die Gedanken ständig über zukünftige oder vergangene Dinge kreisen, kann das ein Symptom für depressive Erkrankungen, Angsterkrankungen oder andere psychische Störungen sein.“
Hätten Sie’s gewusst? Menschen haben – neueren Forschungen zufolge1 – rund 6.000 Gedanken pro Tag. „Wir können gar nicht nicht denken“, sagt Experte Waldherr. Allerdings trete negatives Denken deutlich häufiger auf als positives Denken, was damit zu tun habe, dass man aus Fehlern oder Rückschlägen wesentlich mehr lerne als aus Erfolgserlebnissen.
Das allein erklärt noch nicht, warum manche Menschen aus dem Grübeln und der Gedankenspirale nicht mehr herauskommen. Vermutet wird eine Mischung aus individuellen Ursachen wie Perfektionismus, ein hohes Maß an Selbstkritik und diffusen Ängsten sowie externen Ereignissen. „Ob Ukraine-, Gazakrieg oder Corona – einfache Lösungen gibt es nicht. Wir leben in einer Zeit der großen Krisen und Belastungen. Sie fördern das andauernde negative Denken“, sagt Psychotherapeut Waldherr.
Auswirkungen von Overthinking
Overthinking kann ernsthafte Auswirkungen auf die Gesundheit eines Menschen haben. Eine unmittelbare Auswirkung des Dauergrübelns bestehe, so Experte Waldherr, oft darin, dass die betroffenen Menschen nachts nicht mehr abschalten können und wenig oder gar kein Schlaf mehr bekommen. Dieser Schlafentzug wiederum habe Folgewirkungen wie Gereiztheit oder eine erhöhte Fehleranfälligkeit in der Arbeit, was die Selbstzweifel nährt und die negativen Gedanken bestärkt. Mitunter könne Overthinking auch ein Symptom einer Depression oder Angststörung sein, meint Psychotherapeut Waldherr. Grübeln allein mache aber noch keine Depression aus, bei länger anhaltender negativer Stimmung empfiehlt er gegebenenfalls einen Psychotherapeuten oder eine Psychotherapeutin aufzusuchen.
Schluss mit Overthinking: Fünf Tipps von Experte Benedikt Waldherr
- Gedanken aufschreiben: Gerade bei nächtlichem Grübeln kann es sehr hilfreich sein, die Themen, die einen plagen, aufzuschreiben. Das entlastet das Gehirn und stellt sicher, dass man keine Aufgabe vergisst.
- Lernen, die Gedanken zu unterbrechen: Ein Gedankenstopp ist manchmal die einzige Möglichkeit, um die Negativspirale für den Moment zu verlassen. Dies kann zum Beispiel mit einer Atemübung, autogenem Training oder progressiver Muskelentspannung gelingen.
- Bewegung in den Alltag einbauen: Auch körperliche Aktivität hilft dabei, den Kopf freizubekommen. Es muss nicht immer die große Laufrunde sein, schon ein kurzer Spaziergang kann manchmal ein Segen sein.
- In den sozialen Raum gehen: Zusammen ist man bekanntlich weniger allein. Das gilt auch für die Gedankenwelt. Wer bewusst soziale Kontakte sucht, der wird schnell merken, wie gut einem der Austausch mit anderen Menschen tut. Und oft wirken die Probleme nach einem offenen Gespräch nicht mehr aussichtslos.
- Social-Media-Pause einlegen: Zu viel Social-Media-Konsum kann aufs Gemüt schlagen. Denn das fördert das ständige Vergleichen, das sich auch negativ auf die Gesundheit auswirken kann.2 Deshalb besser mal das Handy für einige Stunden beiseitelegen. Ebenfalls problematisch ist das Doomscrolling, das exzessive Konsumieren von negativen Nachrichten im Internet. Studien zufolge fördert es Stress- und Angstgefühle.3 Auch hier gilt: Öfter mal eine Handypause machen.