Als gesunde Alternative bekannt, sind seine Effekte heimtückischer, als wohl viele denken.
Die Süße von Karamell, ein Glanz ähnlich wie Honig und dann ist er auch noch ein unraffiniertes Naturprodukt: Kein Wunder, dass Agavendicksaft in den vergangenen Jahren als Zuckeralternative immer beliebter geworden ist. Die Betonung liegt hier allerdings auf dem Wort „Zuckeralternative“, denn gesund ist der Saft aus den Agaven nicht – auch wenn gerade in den sozialen Medien nicht selten anderes über den angeblichen Heilsaft behauptet wird.
So entsteht Agavendicksaft
Acht Jahre dauert es, bis die mexikanische Agavenpflanze ausreichend gewachsen ist, um ihr ein paar Monate lang täglich etwas von ihrem süßen Saft abzapfen zu können. Der Saft der Pflanze, die der Aloe Vera sehr ähnlich sieht, wird nun gesammelt und durch aufwendiges Filtern und Erhitzen zu dem weißlichen bis bernsteinfarbenen Sirup verarbeitet, den wir kennen. Je länger er gefiltert und erhitzt wird, desto dunkler ist er. Während der Geschmack bei einem weißlichen Agavendicksaft nahezu neutral süß ist, hat dunkler Saft eine intensive Karamellnote. Anschließend nimmt er seine weite Reise aus Mexiko nach Europa auf sich, was ihm eine schlechte Umweltbilanz verschafft.
Weniger Kalorien und süßer als Zucker
Im Vergleich zu normalem Haushaltszucker hat Agavendicksaft circa 20 Prozent weniger Kalorien, süßt allerdings sogar circa 1,5-fach so stark. Das liegt an der Art des Zuckers, der enthalten ist. Im Agavendicksaft kommt die Süße vor allem durch Fruchtzucker (Fructose). Im Haushaltszucker von Traubenzucker (Glukose). Im Vergleich zu klassisch raffiniertem Zucker wird Agavendicksaft nicht technisch veredelt, sodass mehr Mineralstoffe und Spurenelemente enthalten bleiben. Anders als manch eine Werbung vermuten lässt, kann dies aber eigentlich kein Kaufargument sein, denn deren Anteil ist für einen spürbar positiven Effekt zu gering.
Schlechtere Verwertung
Unser Körper kann die Energie der Fructose wesentlich schlechter verwerten als die der Glucose. Das bedeutet auch, dass die Leber wesentlich mehr Aufwand betreiben muss, um Fructose abzubauen, sodass beispielsweise die Gefahr einer Leberverfettung bei intensiver Aufnahme über einen längeren Zeitraum höher ist als bei der Aufnahme von Glucose. Die zahlreichen Abfallprodukte beim Fructose-Abbau haben einen negativen Einfluss auf das metabolische System, sodass sich zusätzlich Blutwerte verschlechtern und Gelenkschmerzen einstellen können.
Da Fructose vergleichsweise ineffizient ist, haben wir auch schneller wieder Hunger. Zusätzlich hemmt Fructose ein wichtiges Sättigungshormon, sodass der Appetit noch weiter angeregt wird.
Agavendicksaft bei Diabetes?
Da Fructose den Blutzuckerspiegel langsamer ansteigen lässt als Glucose, ist Agavendicksaft auf den ersten Blick für Diabetiker besser geeignet als Haushaltszucker. Der Agaven-Sirup sollte aber auch dabei nur in Maßen verwendet werden, da die negativen Effekte auf das metabolische System zu einer Verschlimmerung des Diabetes führen können. In welchen Fällen Fructose als Glucose-Ersatz bei Diabetes von Vorteil sein kann, hängt stark von den individuellen Körperwerten ab und sollte ärztlich abgeklärt werden.
Lebensmittel für Disziplinierte
Agavendicksaft ist also bei weitem nicht der gesunde Süßstoff, für den ihn viele in den letzten Jahren gehalten haben. Seine Vorteile, wie die reine Süße und die geringere Kalorienzahl, kann er aber trotzdem ausspielen, wenn man ihn diszipliniert und gezielt verwendet. Als vegane Honigalternative im Tee oder als Süßungsmittel im Joghurt und Quark kann er bestens geeignet sein. Denn er löst sich wesentlich schneller auf als Honig oder normaler Zucker und verhindert so beispielsweise voreiliges Nachsüßen. Aufgrund seiner schlechten Umweltbilanz und der versteckten Zuckernachteile sollten sich Sirup-Fans in Deutschland aber vielleicht zumindest nach heimischen Alternativen, wie Rübensirup oder Apfeldicksaft, umschauen. Der etwas heimtückische Fructose-Zucker ist zwar auch dort vorhanden, er muss allerdings nicht um die halbe Welt verschifft werden.