Ob im Büro oder im Homeoffice: Irgendwann macht sich längere Inaktivität im Körper bemerkbar. Gegen die negativen Folgen kann man aber etwas tun.
Vom Bett an den Frühstückstisch und dann an den Schreibtisch, abends fernsehen auf dem Sofa. So sieht der Alltag vieler Menschen möglicherweise im Homeoffice aus. Doch auch in Zeiten, die nicht von Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen geprägt sind, besteht der Alltag oft aus Sitzen. Das mag meist angenehm sein, wenn man sich so galant im Stuhl zurücklehnt, doch schon bald spürt man hier und da vielleicht ein Zipperlein und spätestens nach ein paar Wochen fragt man sich, wieso man sich etwas verspannt fühlt.
Wie man seinen Arbeitsplatz richtig einrichtet
Wer lange am Schreibtisch sitzen muss, der sollte auf ein paar Dinge achten, um Verspannungen entgegenzuwirken – oder besser noch: vorzubeugen. Der Bildschirm sollte nicht zu nah am Gesicht sein, damit man nicht verkrampft. Mindestens eine Armlänge Abstand ist perfekt. Zudem ist ein weiterer Abstand gesünder für die Augen. Der Monitor selbst sollte so eingestellt sein, dass der Blick darauf schräg nach unten fällt, der Kopf ist leicht geneigt – der Nacken wird entlastet. Beim Sitzen ist darauf zu achten, dass die Füße möglichst parallel zueinander auf dem Boden platziert werden. So wird auch die Belastung gleichmäßig auf beide Körperhälften verteilt. Die Beine etwas mehr als 90 Grad angewinkelt. Das Becken sollte auf dem nach Möglichkeit ergonomischen Stuhl leicht gekippt werden, hier können auch Sitzkissen helfen. Bandscheiben und Muskulatur werden so entlastet. Wenn man dann auf eine gesunde Körperhaltung achtet, kann die Sitzposition aber auch gern öfter verändert werden, empfiehlt die Uni Saarland.
Muskelmasse schwindet
Das alles ersetzt aber nicht die echte Bewegung. Denn, was ohnehin mit zunehmendem Alter passiert, ist gerade bei langem Sitzen, Liegen und Inaktivität noch stärker ausgeprägt: der Verlust von Muskelmasse. Ab dem 30. Lebensjahr baut der Mensch bis zu einem Prozent an Muskelmasse pro Jahr ab. Würde man, möglicherweise aufgrund einer Erkrankung, OP oder Ähnlichem, eine Woche im Bett liegen, könnte man in diesem Zeitraum um die 20 Prozent der Muskelmasse zusätzlich verlieren. Der Wiederaufbau dauert Wochen – und ist mühsam. Regelmäßige Bewegung, die die Muskeln in Schwung hält, ist daher generell unverzichtbar für ein gesünderes Leben.
Hüftbeuger oft verkürzt
Viele Menschen sind allein von Berufs wegen schon an einen Stuhl gefesselt. Oder an einen Autositz – bei der täglichen Pendelei zur Arbeit. Im heimischen Homeoffice, gerade jetzt in Zeiten von Corona, ist nicht einmal mehr die Bewegung hin zum Auto gegeben. So passiert beim Dauersitzen, trotz aller materieller Vorsorgemaßnahmen, das Unausweichliche: die Muskulatur verkürzt. Daraus können langfristig Probleme entstehen, wie Verspannungen, oder, schlimmer noch, Dysbalancen, Haltungsschäden, die sich auf den Körper und damit eben auch auf das Wohlbefinden auswirken. Insbesondere betroffen ist die Hüftbeugemuskulatur, die sich an der Vorderseite der Oberschenkel befindet. Nach Angaben der Uni Saarland werden durch die Verkürzung die gesamte Lendenwirbelsäule und das Becken nach vorne gezogen. Dadurch verändere sich dauerhaft auch der Zustand der Rückenmuskulatur, sagen die Experten dort. Sie wird schwächer. Sie sollte aber stark sein, da sie unter anderem dafür da ist, die Wirbelsäule aufzurichten. Gerade der untere Rückenbereich spielt hier eine wichtige Rolle und sollte entsprechend gekräftigt werden.
Muskeln spielen zusammen
Die Muskeln des menschlichen Körpers arbeiten Hand in Hand. Probleme in den Beinen beispielsweise hängen oft mit Problemen im Rücken- oder Beckenbereich zusammen. Physiotherapeuten und Ärzte werfen auf diese Region daher zumeist auch einen Blick. Ist etwa die Muskulatur des Rückenstreckers verkürzt, so kippt das Becken unweigerlich nach vorn. Sollten nun, so die Experten der Uni Saarland, auch Bauch- und Gesäßmuskulatur geschwächt sein, könne dem zusätzlichen Zug durch den Hüftbeuger kaum entgegengewirkt werden. Das Becken kippt, das Hohlkreuz im Lendenwirbelbereich ist die Folge.
Rundrücken entgegenwirken
Dass der Rücken ein fragiles Gerüst ist und immer mehr Menschen Probleme bereitet, zeigt sich auch daran, dass in dem Bereich 150 einzelne Muskeln sitzen. Sie tragen zur aufrechten Haltung bei. Sie benötigen Kräftigung. Wichtig bei sämtlichen Kräftigungsübungen zu beachten, ist, dass nicht nur der kräftigende Muskel (Agonist), sondern stets auch dessen Gegenspieler (Antagonist) gekräftigt wird. Der stärkere Muskel zieht den schwächeren in seine Richtung, was zu Dysbalancen führen kann. Ein starker Hüftbeuger etwa bringt nichts, wenn der Hüftstrecker auf der Oberschenkelrückseite zu schwach ist. Starke Bauchmuskeln unterstützen die Stabilität im Rumpfbereich und wirken im Zusammenspiel mit der Rückenmuskulatur. Wer nur die Brustmuskulatur, ohne den Rücken zu beachten, stärkt, wird je nach Intensität eher mit den Schultern nach vorne geneigt herumlaufen. Die Stärkung der Rückenmuskulatur wirkt auch einem Rundrücken entgegen, der insbesondere bei dauerhaften Schreibtischtätigkeiten auftreten kann, weil man hier, laut Uni Saarland, „den Schultergürtelbereich unphysiologisch nach vorne verlagert“. Jeder dürfte sich schon mal in dieser Position wiedergefunden haben.
Wichtig ist stets das richtige Zusammenspiel aus Kräftigung und Dehnung. Zur Verkürzung neigende Muskeln wie etwa die Hüftbeuge-, Beinstreck- und Beinbeugemuskulatur, die Adduktoren an der Innenseite der Oberschenkel oder auch die Muskulatur des unteren Rückens, der Waden, der Brust sowie des Nacken-Hals-Bereiches sollten nach Angaben der Uni Saarland „regelmäßig gedehnt werden, um die normale Muskellänge möglichst lange aufrecht zu erhalten“. Das hält die Muskulatur geschmeidig und verhindert eine zu große Spannung und damit Verkürzung.
- Dehnung Hüftbeuger: Ein Bein angewinkelt aufstellen, mit dem anderen Knie auf den Boden. Das Gewicht langsam auf das vordere angewinkelte Bein verlagern, sodass man im hinteren Bein eine Dehnung im vorderen Bereich der Hüfte spürt.
- Dehnung Rückseite: Auf den Rücken legen und ein Bein nach oben strecken. Den Oberschenkel mit den Händen umklammern und Richtung Brust ziehen. Diese Position ist weniger belastend für den unteren Rücken. Mehr Dehnung bekommt man, wenn man die Zehenspitzen des nach oben geführten Beins zum Körper zieht.
- Dehnung Nacken: Auch im Sitzen möglich – den linken Arm senkrecht nach unten strecken, dabei gleichzeitig den Kopf nach rechts neigen. Dann die andere Seite. Auch kann man den Kopf seitlich nach unten ziehen und dabei leicht nach vorne beugen. So wird auch die hintere Muskulatur an der Halswirbelsäule gedehnt.
- Kräftigung Rumpf/unterer Rücken: Unterarmstütz: In Bauchlage bringen, dann die Zehenspitzen aufstellen und sich gleichzeitig auf den Unterarmen schulterbreit abstützen. Dabei versuchen, den Bauchnabel Richtung Wirbelsäule zu ziehen und das Gesäß anzuspannen.
- Kräftigung unterer Rücken/Mobilisation: Paddeln: Auf den Bauch legen und die Arme lang nach vorne strecken und leicht anheben. Die Beine inklusive Oberschenkel ebenfalls leicht anheben und nun gemeinsam mit den Armen leichte Paddelbewegungen nach oben machen. Der Kopf bleibt dabei in Verlängerung der Wirbelsäule, der Blick geht nach unten.
- Mobilisation unter Rücken/Becken: Katzenbuckel: Ausgangsposition ist der Vier-Füßler-Stand – Hände und Knie sind auf dem Boden. Die Arme sind senkrecht schulterbreit aufgestellt. Nun bildet man bewusst ein Hohlkreuz im Lendenwirbelbereich (unterer Rücken) und legt den Kopf gleichzeitig in den Nacken, sodass der Brustkorb gewölbt ist. Kurz halten und dann ganz bewusst einen Rundrücken (Katzenbuckel) machen. Der Kopf geht runter, der Blick Richtung Bauch. Auch hier wird versucht, den Bauchnabel in Richtung Wirbelsäule zu ziehen.