Viele Menschen wissen noch genau, was am 11. September 2001 in New York City passiert ist. Die wenigsten Menschen werden aber wohl noch wissen, was am 10. September 2001 in ihren eigenen vier Wänden abgelaufen ist.
So lernen wir
Dies liegt unter anderem daran, dass unser Gehirn einen außergewöhnlichen Heißhunger auf Neuigkeiten hat. Es ist allerdings kein schlichter Freund von wahllosen Nachrichten, es muss schon interessant genug sein, damit es Lust darauf bekommt, die Neuigkeit auch tatsächlich zu speichern. Hat unser Gehirn entschieden, dass die Neuigkeit bedeutsam genug ist, reicht es aus, die neue Information ein einziges Mal aufzunehmen, um sie zu speichern. Besonders bei solchen Einzelinformationen spielt der Hippocampus eine zentrale Rolle, wie der Mediziner, Psychologe und Neurowissenschaftler Manfred Spitzer in seinem Buch „Lernen“ beschreibt. Tief im Inneren unseres Gehirns ist der Hippocampus eine der ersten Anlaufstellen für neue Informationen. Je nach Art der Information werden dort und in mehreren anderen Gehirnbereichen in Lernprozessen neue Nervenzellen, die sogenannten Neuronen, gebildet. Diese werden zusätzlich mit bereits bestehenden Neuronen verknüpft. Wenn wir beispielsweise einen Ortsnamen oder eine Vokabel hören, werden bestimmte Neuronen dieser Themenfelder angeregt, die sich untereinander vernetzen. Im Vergleich zu akut wichtigen Nachrichten müssen wir Informationen, wie wir sie beispielsweise in der Schule bekommen, aber häufiger hören, um sie dauerhaft zu behalten. Doch nicht nur das schlichte Wiederholen von Informationen führt zu einem stabileren Neuronennetzwerk und zu einem besseren Erinnerungsvermögen.
Lernmethoden variieren
Es kommt auch darauf an, auf welche Weise wir Informationen aufnehmen und wiederholen. Müssen wir beispielsweise Fakten, Zahlen oder Orte auswendig lernen, sollten wir dies nicht passiv tun. Lernen ist ein aktiver Vorgang! Optimal ist lautes Vorlesen, sich abfragen lassen, Notizen machen und den Lerninhalt aus möglichst unterschiedlichen Perspektiven betrachten, um so verschiedene Anknüpfungspunkte im neuronalen Netzwerk zu schaffen.
Kontext als Lernhilfe
Je mehr Kontext wir zusammen mit dem eigenen Lerninhalt aufnehmen, desto vielfältiger verknüpfen wir die dafür zuständigen Neuronen und desto besser behalten wir die eigentliche Information, die gelernt werden soll. Dies wird als Verarbeitungstiefe bezeichnet. Wenn wir beispielsweise einzelne Fakten einer historischen Person auswendig lernen müssen, fällt das Merken wesentlich leichter, wenn die Lebensgeschichte dieser Person ebenfalls gelernt wird. Zusammenhänge zwischen einzelnen Informationen erleichtern es, neues Wissen an bekanntes anzuknüpfen, da schlicht mehr neuronale Verbindungspunkte vorhanden sind.
Nicht zu viel auf einmal lernen
Zwar sollten wir es unserem Gehirn mit möglichst verschiedenen Anknüpfungspunkten und Herangehensweisen an die Wissensaufnahme möglichst leicht machen, eine feste Verbindung und somit eine dauerhafte Erinnerung an das Gelernte zu erstellen, dennoch sollten wir immer im Maß bleiben. Das heißt: Lieber weniger Informationen intensiver und auf unterschiedliche Weise wiederholen, als zu versuchen, sie massenhaft und dafür oberflächlich aufzunehmen. Das Problem kennen viele bestimmt noch aus der Schule, wenn der Vokabeltest nahte und innerhalb eines Tages noch 200 Vokabeln gelernt werden mussten.
Interessante Aspekte suchen
Wie beim Lernen für Vokabeltests, sind leider nicht immer alle Informationen, die gelernt werden müssen, von persönlichem Interesse und damit laut Spitzer von Grund auf leichter zu behalten. So entsteht schnell Frust, wenn subjektiv langweilige Informationen einfach nicht hängen bleiben wollen. Dadurch sinkt wiederum die Aufmerksamkeit im Lernprozess, die ebenfalls in hohem Maß darüber entscheidet, wie gut wir uns Dinge dauerhaft merken können. Über kleine gedankliche Umwege lässt sich das Interesse aber häufig steigern: Wer im Physikunterricht beispielsweise kein Interesse hat, sich für die nächste Klausur genauer mit der Schwingungsfrequenz von Schallwellen zu beschäftigen, kann versuchen, sich andere Anknüpfungspunkte an das Thema zu suchen. Spielt man beispielsweise ein Instrument, besteht nun die Möglichkeit zu erfahren, warum bestimmte Töne entstehen und woran es liegt, dass sie sich ändern. Eine so hergestellte Verbindung regt wieder bestimmte Neuronenverbindungen an, die es letztlich leichter machen, auch ursprünglich uninteressante Dinge besser behalten zu können.
Chronischen Stress reduzieren
Auch wer unter akutem Lerndruck steht, wird eventuell schon einmal bemerkt haben, dass es in dieser Situation leichter fällt, sich die gefragten Dinge schneller zu merken. Diesen Effekt konnten die Neurowissenschaftler António Damasio und Joseph LeDoux im Jahr 1994 bereits erklären. Ganz anders sieht es jedoch bei chronischem Stress oder auch chronischer Angst aus, da die Glukoseaufnahme des Gehirns dauerhaft vermindert und somit auch das zum Lernen zur Verfügung stehenden Energieangebot reduziert wird. Der fürs Lernen so wichtige Hippocampus ist laut Spitzer eine der aktivsten Strukturen im zentralen Nervensystem, weshalb sich Energiemangel umso drastischer auswirkt.
Um den ruhigen Jahreswechsel herum besteht also umgekehrt eine gute Chance, nicht nur seine Energietanks wieder aufzuladen, sondern indirekt auch dafür zu sorgen, dass wir im neuen Jahr wieder fokussierter lernen, verstehen und all die Informationen behalten können, die uns auf Neue begegnen werden.