Kein Beschlagen, kein Verrutschen und im Weg sind sie auch nie: Es gibt viele Gründe, die für Kontaktlinsen sprechen. Kontaktlinsen-Spezialist Gunther Oesker erklärt, welche Unterschiede es gibt und warum die Anpassung beim Experten so wichtig ist.
Mehr als drei Millionen Menschen in Deutschland tragen laut einer Studie des Instituts für Demoskopie (IfD) Allensbach Kontaktlinsen. Kein Wunder, denn grundsätzlich sind die kleinen Sehhilfen einfach in der Handhabung. Die kleinen runden Kunststoff-Plättchen werden einfach auf dem Auge platziert und schon hat man den vollen Durchblick. Der größte Vorteil: Das Gesichtsfeld ist im Gegensatz zur Brille nicht eingeschränkt.
Der Gang zum Experten
Also einfach bestellen, einsetzen und fertig? Ganz so einfach ist das nicht. Kontaktlinsen sollten unbedingt von einem Fachmann angepasst werden – also entweder von einem Augenarzt oder einem Optiker. „Experten verfügen über die notwendigen Geräte für die Begutachtung des vorderen Augenabschnitts, die Ermittlung der Parameter für die Form der Kontaktlinse und die Bewertung der Tränenfilmzusammensetzung und -menge“, erklärt Gunther Oesker und ergänzt: „Weiche Kontaktlinsen mit einem kurzen Tauschrhythmus sind aufgrund ihrer geringen Dicke meist sehr flexibel, trotzdem passen sie nicht auf jedes Auge. Da eine falsche Passform beim Tragen solcher Kontaktlinsen oft erst sehr spät subjektiv zu spüren ist, aber vorher schon die Oberfläche der Bindehaut geschädigt oder die Sauerstoffversorgung beeinträchtigt werden kann, sollte eine Kontaktlinse sorgfältig ausgewählt und kontrolliert werden.“ Zudem gibt es beim Fachmann auch wichtige Informationen über die notwendigen Hygieneschritte beim Tragen von Kontaktlinsen.
Wer kann Kontaktlinsen tragen?
„Die Industrie ist sehr bemüht, Kontaktlinsenformen und -materialien so weiterzuentwickeln, dass es für jeden eine passende Kontaktlinse gibt“, weiß Oesker. Da habe es in den letzten Jahren einige sehr wertvolle Innovationen gegeben. So sei es heute für viele Menschen, bei denen davor vielleicht noch von Kontaktlinsen abgeraten wurde, möglich, Linsen zu tragen. „Das betrifft zum Beispiel Menschen mit einer Hornhautverkrümmung (Astigmatismus), Menschen, die eine unterschiedliche Korrektur für Ferne und Nähe benötigen (Alterssichtigkeit, auch Presbyopie genannt), und Menschen mit trockenen Augen.“ Allerdings gibt es auch ganz klar Situationen, in denen Kontaktlinsen nicht getragen werden dürfen. „Dies sind beispielsweise akute Verletzungen oder Entzündungen der Hornhaut, Bindehaut oder der Augenlider. Auch bei einer reduzierten Hornhautsensibilität oder bei einem geschwächten Immunsystem sollten keine Kontaktlinsen getragen werden“, warnt der Spezialist.
Welche Kontaktlinsen gibt es?
Oft wird von harten und weichen Kontaktlinsen gesprochen. „Der sprachliche Unterschied kommt von der unterschiedlichen Eigenstabilität“, erklärt Gunther Oesker. Generell seien weiche Kontaktlinsen sehr flexibel, während feste Kontaktlinsen stabiler die Form behalten und damit meist viel leichter aufzusetzen sind. „Fachleute sprechen nicht mehr von harten Kontaktlinsen, da die heute verwendeten Materialien für feste/formstabile Kontaktlinsen ebenfalls eine gewisse Flexibilität haben“, klärt er auf. „Auch wenn es innerhalb der beiden Kontaktlinsen-Familien sehr große Unterschiede je nach Material und Dicke der Kontaktlinse gibt, bieten formstabile Kontaktlinsen eine bessere optische Qualität, zum Beispiel bei einer sehr hohen Hornhautverkrümmung, wie sie nach einer Verletzung oder durch eine Erkrankung der Hornhaut entstehen kann.“ Der augenscheinlichste Unterschied sei die Größe. Eine weiche Tauschlinse bedeckt gegenüber einer festen Kontaktlinse eine ungefähr doppelt so große Fläche. „Es gibt allerdings bei den festen Kontaktlinsen auch ein Nischenprodukt (Sklerallinsen), welche meist noch größer sind als die weichen Kontaktlinsen. Diese kommen jedoch nur bei besonderen medizinischen Indikationen zum Einsatz.“ Je größer und dünner eine Kontaktlinse sei, umso höher sei der Komfort beim ersten Aufsetzen. Deshalb kommen weiche Tageslinsen sehr häufig zum Einsatz, wenn Kontaktlinsen nur für ein paar Stunden in der Woche, zum Beispiel beim Sport oder nur im Urlaub, getragen werden. „Auch in sehr staubigen Umgebungen wird meist großen weichen Kontaktlinsen der Vorzug gegeben.“ Grundsätzlich gilt: Je größer und dicker eine Kontaktlinse ist, umso eher kann die Hornhaut einen Mangel an Sauerstoff bekommen und die Linse damit unverträglich werden. „Deshalb gab es für die Anpassung von Kontaktlinsen früher den Leitspruch: so klein wie möglich und nur so groß wie nötig. Formstabile Kontaktlinsen hatten da einen sehr deutlichen Vorteil. Diesen Effekt kann man heute teilweise durch ein Material, welches sehr viel Sauerstoff durchlässt, ausgleichen.“
Kontaktlinsenpflege: Hygiene ist das A und O
„Das A und O, um langfristig Freude an Kontaktlinsen zu haben, ist neben der optimalen Linse und regelmäßigen Qualitäts-Checks eine perfekte Hygiene vom Waschen der Hände über die individuell auf Tränenfilm und Material abgestimmte Reinigung und Desinfektion der Kontaktlinsen“, mahnt der Kontaktlinsen-Spezialist. Unzureichende Hygiene ist der Hauptgrund für die mögliche Kontaktlinsenunverträglichkeit beziehungsweise für Komplikationen. „Weil weiche Austausch-Kontaktlinsen angenehm zu tragen und über viele Vertriebskanäle erhältlich sind, lassen sie das Produkt manchmal simpler erscheinen, als es ist, und die Hygiene wird nicht ausreichend beachtet. In diesen Fällen gilt: die weiche Kontaktlinse ist kurzfristig verträglicher, die feste Kontaktlinse ist langfristig verträglicher.“
Wie einfach ist der Umgang mit Kontaktlinsen?
Anfängerfehler seien eigentlich kaum möglich, sagt Oesker. Bedingung: Die Kontaktlinsen wurden von Experten angepasst und ein individuelles Training für das Auf- und Absetzen und die Pflege der Kontaktlinsen ist erfolgt. „Wenn man die Empfehlungen für die Handhabung, die Pflege und die anfänglich reduzierten Tragezeiten beherzigt und zusätzlich die empfohlenen Qualitäts-Checks wahrnimmt, ist das Tragen von Kontaktlinsen komfortabel.“ Für Anfänger gibt es verschiedene Techniken zum Auf- und Absetzen von Kontaktlinsen. Eine wertvolle Unterstützung können zum Beispiel gute YouTube-Tutorials sein. „Unersetzlich ist aber ein individuelles Training während der Kontaktlinsen-Versorgung durch Experten. Je nach Kontaktlinsengröße und -flexibilität und unter Berücksichtigung vieler persönlicher Faktoren werden Experten eine einfache Methode für das Auf- und Absetzen empfehlen und beim Einüben unterstützen.“
Wie oft zur Kontrolle?
Grundsätzlich gilt: Kontaktlinsen müssen erneuert werden, wenn sich die Sehkraft verändert hat oder der empfohlene Austauschzeitpunkt erreicht ist. „Bei jungen Menschen in den ersten Lebensjahrzehnten sind es meist wachstumsbedingte Veränderungen und bei Menschen ab dem 40. Lebensjahr sind es meist altersbedingte Veränderungen, die eine Anpassung der Stärke oder Form der Kontaktlinse erfordern“, so Oesker. Auch hormonelle Veränderungen oder erforderliche Medikamente können eine Optimierung der Kontaktlinsen-Stärke, des -Materials oder der -Pflegemittel erfordern. „Vor diesem Hintergrund sollte mindestens einmal im Jahr und bei Kindern und Jugendlichen halbjährlich überprüft werden, ob Sitz, Passform und Material noch optimal sind.“ Zusätzlich gebe es auch Kontaktlinsen-Typen, bei denen ein engmaschigerer Rhythmus sinnvoll ist: bei Kontaktlinsen, die für das Tragen über Nacht konzipiert sind, sollten die Augen halbjährlich überprüft werden. „Dies gilt umso mehr, wenn diese Kontaktlinsen zum Management der Myopieprogression angewendet werden.“