Die Liposuktion ist ein chirurgischer Eingriff, bei dem Fettgewebe in bestimmten Körperregionen abgesaugt wird. In den meisten Fällen ist eine Liposuktion ästhetisch bzw. kosmetisch indiziert und gehört daher nicht zum Leistungsangebot der gesetzlichen Krankenkassen. Seit dem 1. Januar 2020 gibt es jedoch eine wichtige Ausnahme: Bei Vorliegen eines Lipödems dürfen Krankenkassen die Kosten für eine Liposuktion unter bestimmten Voraussetzungen übernehmen. Wann dies der Fall ist und wie die Behandlung abläuft, erfahren Sie hier.
Lipödem – Die Erkrankung
Beim Lipödem handelt es sich um eine schmerzhafte, anlagebedingte übermäßige Fettgewebsvermehrung in Armen und Beinen. Zusätzlich bestehen meist vermehrte Wassereinlagerungen in den betroffenen Regionen. Typischerweise sind Hände und Füße weniger betroffen: Das Lipödem reicht meist nur bis zu den Knöcheln bzw. Handgelenken. Ein Druck mit dem Daumen auf die Schwellung hinterlässt keinen Abdruck. Betroffene bekommen schon bei leichten Verletzungen schnell blaue Flecke (Hämatome) und leiden an einem Spannungsgefühl und manchmal auch an Schmerzen bei Berührung und Druck.
Das Lipödem tritt nahezu ausschließlich bei Frauen auf. Wie häufig die Erkrankung ist, ist nicht wirklich bekannt. Es wird eine hohe Dunkelziffer vermutet. Andererseits erhalten manche Frauen die Diagnose Lipödem, ohne die Kriterien der Erkrankung zu erfüllen. Vom Lipödem unterscheiden muss man u.a. das Lymphödem. Diese Gewebsschwellung ist meist asymmetrisch (z.B. nur ein Bein ist geschwollen) und schmerzlos. Die Schwellung reicht bis zu den Finger- und Zehenkuppen und der Daumentest ist positiv: Drückt man den Daumen in die Schwellung, bleibt die Vertiefung für längere Zeit bestehen. Hämatome treten beim Lymphödem nicht auf.
Unterscheidung zwischen Lipödem und Lymphödem
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Lipödem |
Lymphödem |
Symmetrie |
Die Fettgewebsvermehrung ist symmetrisch (Beispiel: Umfänge beider Beine ist ähnlich). |
Die Schwellung ist asymmetrisch (Beispiel: Nur ein Bein ist geschwollen). |
Druckschmerz |
Druck und Berührungen an den betroffenen Stellen sind schmerzhaft. |
Die Betroffenen sind schmerzfrei bei Druck und Berührungen. |
Stemmersches Zeichen |
Stemmersches Zeichen ist negativ: Über dem Zehen- bzw. Fingerrücken lässt sich eine Hautfalte abheben. |
Stemmersches Zeichen ist positiv: An den Finger- bzw. Zehenrücken lässt sich keine Hautfalte abheben. |
Fuß-/Handrückenödem |
Füße und Hände sind ödemfrei: Das Ödem reicht bis zu den Knöcheln bzw. Handgelenken. |
Füße und Hände sind ödemfrei: Das Ödem reicht bis zu den Knöcheln bzw. Handgelenken. |
Daumentest |
Der Daumentest ist negativ: Drückt man den Daumen in die Schwellung, verbleibt kein Abdruck. |
Der Daumentest ist positiv: Drückt man den Daumen in die Schwellung, bleibt die Vertiefung für längere Zeit bestehen. |
Cellulite |
Wellige „Orangenhaut“ mit anfänglich feinen und später groben Dellen. |
Die Haut ist prall und spannt aufgrund der Wassereinlagerung. |
Hämatomneigung |
Man bekommt schnell und häufig blaue Flecken. |
Blaue Flecken treten im gewöhnlichen Maß auf. |
Entzündungen |
Entzündungen und Hautirritationen sind selten. |
Die Haut ist anfällig für Entzündungen bis hin zu Wundrosen (Erysipel). |
Quelle: Ofa Bamberg, https://www.ofa.de/de-de/lipoedem-oder-lymphoedem/
Für wen die Liposuktion in Frage kommt
Eine Fettabsaugung bei einem echten Lipödem kann möglicherweise eine zusätzliche Alternative zu den heute üblichen physikalischen Entstauungsverfahren darstellen. Sie ist nach derzeitigen Empfehlungen insbesondere dann angezeigt, wenn trotz konsequent durchgeführter konservativer Therapie noch Beschwerden bestehen bzw. wenn eine Verschlimmerung von Befund (Zunahme Unterhautfettvolumen) und/oder Beschwerden (insbesondere Schmerzen) auftreten. Durch den Eingriff soll die Beeinträchtigung durch Schmerzen, Extremitätenvolumen und Hämatomneigung reduziert und damit die Lebensqualität verbessert werden.
Nicht geeignet ist eine Liposuktion bei einem Body Mass Index (BMI) über 35 kg/m2. Bei einem BMI ab 40 kg/m2 ist eine Liposuktion sogar ganz ausgeschlossen. Hier müssen andere Maßnahmen zur Gewichtsreduktion geplant und angegangen werden. Auch bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus („Zuckerkrankheit“), Blutgerinnungsstörungen, Venenentzündungen oder bestimmten psychischen Beschwerden sollte keine Liposuktion erfolgen.
Kostenübernahme bei Lipödem ab Stadium III
Der Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) hat daher in einer – für die Krankenkassen verbindlichen – Richtlinie festgelegt, dass ein Lipödem im Stadium III seit diesem Jahr mit einer Liposuktion behandelt werden darf. Diese Genehmigung ist vorerst bis zum Vorliegen einer Erprobungsstudie befristet. Ein Lipödem im Stadium III und die Möglichkeit zur Operation besteht, wenn jeder der nachfolgend genannten Punkte vom Arzt bejaht werden kann:
- Es besteht eine übermäßige Fettgewebsvermehrung (Extremitäten-Stamm) mit Ödem, mit ausgeprägter Umfangsvermehrung und überhängenden Gewebelappen.
- Hände und Füße sind nicht betroffen.
- Es besteht ein Druck- oder Berührungsschmerz im Weichteilgewebe der betroffenen Extremitäten.
- Trotz innerhalb der letzten sechs Monate vor Indikationsstellung kontinuierlich durchgeführter, ärztlich verordneter konservativer Therapie konnten die Krankheitsbeschwerden nicht hinreichend gelindert werden.
Wichtig: Eine vorherige Genehmigung durch die Krankenkasse braucht bei Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht mehr eingeholt zu werden. Wir beraten Sie aber gerne im Vorfeld einer Operation zu den Voraussetzungen in Ihrem speziellen Fall, wenn Sie das möchten oder unsicher sind.
Arten und Ablauf der Liposuktion
Bei der Liposuktion wird das Fett an der definierten Körperstelle mittels einer Kanüle abgesaugt. Um diesen Prozess zu erleichtern, kann das Gewebe vorab mittels verschiedener Methoden „aufgeweicht“ werden. Im Laufe der Jahre hat sich dabei die so genannte Tumeszenz-Liposuktion als bevorzugtes Verfahren herausgebildet.
Dabei werden in Lokalanästhesie (örtlicher Betäubung) mehrere Liter einer wässrigen Lösung (Gemisch aus u.a. physikalischer Kochsalzlösung und Betäubungsmitteln) in das Unterhautgewebe gespült. Das dann dünnflüssige Fettlösungsgemisch wird durch Anwendung von stumpf vibrierenden Kanülen entfernt. Die Operation kann sehr gut ambulant erfolgen. Individuell kann sich ein Arzt aber auch für eine stationäre Durchführung aussprechen, wenn weitere Begleiterkrankungen bestehen.
Arztwahl und Risiken
Die Operation kann grundsätzlich sowohl ambulant als auch stationär durchgeführt werden. Wichtig ist nur, dass sie durch Fachärztinnen und Fachärzte für „Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie“ oder andere operativ tätige Facharztgruppen vorgenommen wird. Diese Ärzte erhalten eine Erlaubnis für den Eingriff, wenn sie u.a. nachweisen, dass sie bereits mehr als 50 Eingriffe dieser Art selber vorgenommen oder 20 Eingriffe unter Anleitung eines erfahrenen Arztes vorgenommen haben. Das dient der Sicherheit der Patientinnen und Patienten.
Da die Liposuktion bei allen anderen Stadien noch nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen zählt, muss eine dennoch gewünschte Operation noch privat bezahlt werden. Hier sollten Sie sich vor einem Eingriff genau über die Kosten erkundigen und diese vergleichen. Achten Sie dann auch auf die Qualifikation des Arztes. Vorsicht geboten ist beim Begriff „Schönheitschirurg“. Dieser ist nicht gesetzlich geschützt und hat keine Aussagekraft bezüglich der Qualifikation des Arztes. Wichtig ist auch die Anwesenheit eines Anästhesisten, der die Betäubung kontrolliert. Vertrauen Sie auch Ihrem Bauchgefühl: Wenn Sie den Eindruck haben, nicht kompetent beraten zu werden oder sich in den Praxisräumen unwohl fühlen, gehen Sie das Risiko eines Eingriffs nicht ein.
Denn fest steht: Trotz sorgfältiger Arztwahl ist eine Liposuktion nicht frei von Risiken. Zu den häufigsten Komplikationen zählen die Verletzung von Bauchorganen, der Bauchdecke oder der Blutgefäße sowie Infektionen oder Embolien. Ein weiterer Risikofaktor ist, dass der Arzt zu viel Fett absaugt (mehr als 4.000 ml pro Eingriff). Und auch Narkosen bergen Risiken, darum sollte der Eingriff möglichst nicht in Vollnarkose stattfinden.
Erprobungsstudie zum Nutzen der Liposuktion läuft
Derzeit ist nicht bekannt, ob die Fettabsaugung bei einem Lipödem den betroffenen Frauen tatsächlich einen Nutzen bringt und auch ausreichend sicher ist. Bisher wurden nur Untersuchungen mit kleinen Patientenzahlen durchgeführt. Es fehlen daher eindeutige Erkenntnisse, wer operiert werden sollte oder ab welchem Stadium der Eingriff Sinn macht. Keine der bisher vorliegenden Studien hatte eine Kontrollgruppe zum Vergleich der Liposuktion mit einer anderen oder keiner Behandlung. Da in zwei Studien knapp 25 Prozent der Studien-Teilnehmer männlich waren und die Eingriffe zudem in allen Körperregionen durchgeführt wurden, ist zudem nicht klar, ob sich die bisherigen Ergebnisse auf das Lipödem übertragen lassen.
Aus diesen Gründen wurde der Auftrag zur Durchführung einer Erprobungsstudie an das Zentrum für Klinische Studien der Universität Köln in Zusammenarbeit mit der Hautklinik Darmstadt vergeben. Sobald die Ergebnisse dieser Studie vorliegen, wird durch den Gemeinsamen Bundesausschuss über die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen neu entschieden. Die Studie soll bis ca. Ende 2024 abgeschlossen sein. Wir halten Sie hier stets auf dem Laufenden.