Das Ohr nimmt Schallwellen auf und übersetzt sie in Nervenreize, die vom Gehirn weiterverarbeitet werden. Wer schwerhörig ist, kann Sprache und Geräusche nur eingeschränkt wahrnehmen und verstehen. Wenn das Hörvermögen kaum oder gar nicht mehr vorhanden ist, spricht man von Gehörlosigkeit (früher auch Taubheit genannt).
Schwerhörigkeit und Gehörlosigkeit können angeboren sein oder bereits im Kindesalter auftreten. Bei den meisten Menschen lässt das Hörvermögen aber erst im Alter nach. Dann spricht man von Altersschwerhörigkeit (Presbyakusis).
Je nachdem, wie stark das Hören eingeschränkt ist und welche Bereiche der Ohren betroffen sind, können Hörgeräte, eine Ohroperation oder Hörprothesen (Cochlea-Implantate) die Hörfähigkeit und damit die Lebensqualität wieder verbessern.
Von Hörstörungen können beide Ohren oder nur ein Ohr in unterschiedlichem Ausmaß betroffen sein. Ist das Hören nur leicht beeinträchtigt, versteht man zum Beispiel nicht mehr, wenn jemand flüstert.
Bei mäßiger Schwerhörigkeit werden nur noch laute Geräusche gehört, bei starker Schwerhörigkeit nur noch sehr laute. Bei Gehörlosigkeit werden Töne und Geräusche nur als Vibrationen wahrgenommen.
Je nach Ursache können auch zusätzliche Beschwerden wie Tinnitus, Druck im Ohr oder Schwindel hinzukommen.
Verschiedene Grade von Schwerhörigkeit
Schwerhörigkeit bei Erwachsenen kann verschiedene Ursachen haben. Bei vielen wird das Gehör mit zunehmendem Alter schlechter. Warum es zur sogenannten Altersschwerhörigkeit (Presbyakusis) kommt, ist nicht vollständig geklärt. Vermutlich spielen normale Alterungsprozesse, eine jahrelange Lärmbelastung und eine erbliche Anlage eine Rolle.
Starker Lärm kann das Trommelfell, das Mittel- und vor allem das Innenohr schädigen. Solche Schäden sind meist vorübergehend, es können aber Beeinträchtigungen zurückbleiben – etwa nach einem Knalltrauma. Eine chronische Lärmschwerhörigkeit kann auch von geringeren Lautstärken verursacht werden, wenn das Gehör ihnen regelmäßig ausgesetzt ist.
Hörstörungen können zudem durch Verstopfungen des Gehörgangs mit Ohrenschmalz, chronische Mittelohrentzündungen, Infektionen wie etwa eine Hirnhautentzündung, einen Hörsturz oder eine Versteifung der Gehörknöchelchen (sogenannte Otosklerose) hervorgerufen werden. Seltenere Ursachen sind unter anderem Schädelverletzungen, Medikamenten-Nebenwirkungen und Tumoren.
Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben weltweit ungefähr 430 Millionen Erwachsene Hörprobleme. Etwa ein Drittel der über 65-Jährigen ist schwerhörig. Genaue Zahlen für Deutschland gibt es bislang nicht. Fachleute vermuten, dass hierzulande etwa 16 bis 25 von 100 Erwachsenen Probleme mit dem Hören haben, wobei dieser Anteil bei Älteren noch darüber liegt.
Manche Erwachsene sind bereits seit ihrer Geburt oder Kindheit schwerhörig oder gehörlos. Bei den meisten Menschen kommt es aber erst im Alter zu einer Hörminderung. Bei der Altersschwerhörigkeit sind typischerweise beide Ohren etwa gleich stark betroffen, und die Hörprobleme nehmen mit der Zeit langsam zu. Zuerst werden nur leise Geräusche und Töne mit höheren Frequenzen nicht mehr gut gehört. Manchen fällt das Zuhören und Verstehen zunächst auch nur schwer, wenn das Gespräch von Nebengeräuschen begleitet ist – etwa im Restaurant oder Bus. Über Jahre verschlechtert sich das Gehör dann bei vielen allmählich weiter.
Andere Ursachen führen rascher oder sogar plötzlich zu einer Schwerhörigkeit – wie etwa eine Verletzung oder ein Hörsturz. Je nach Ursache kann eine Schwerhörigkeit nur vorübergehend sein. Bei alten Menschen bleibt sie aber in der Regel bestehen.
Wer schlecht hört, verliert dadurch an Lebensqualität: Viele Betroffene fühlen sich zunehmend eingeschränkt und isoliert, manche nehmen dann immer weniger am sozialen Leben teil.
Eine Schwerhörigkeit kann das Risiko für Depressionen erhöhen, steigert aber auch das Unfall- und Sturzrisiko.
Einige Studien deuten darauf hin, dass sich die geistige Leistungsfähigkeit langfristig verschlechtern kann, wenn das Hören beeinträchtigt ist.
Bei Verdacht auf Schwerhörigkeit werden die Ohren genau untersucht. Dazu wird man meist in eine Praxis für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (HNO) überwiesen. Die HNO-Ärztin oder der HNO-Arzt schaut sich die Ohren zunächst genau an. Bei einer Ohrspiegelung wird zum Beispiel nach Entzündungen oder Ohrschmalz-Pfropfen im Gehörgang oder im Mittelohr gesucht. Außerdem wird gefragt, wann und wodurch die Schwerhörigkeit aufgefallen ist und ob noch andere Beschwerden bestehen.
Um Art und Schweregrad der Hörstörung festzustellen, sind verschiedene Hörtests wichtig. „Subjektive Tests“ sind Untersuchungen, bei denen man selbst mitarbeiten muss. Dabei werden zum Beispiel über Kopfhörer lauter werdende Töne vorgespielt und gefragt, ab wann sie hörbar sind. Bei einem anderen Test hält die Ärztin oder der Arzt eine schwingende Stimmgabel in festgelegter Abfolge an den Kopf und vor die Ohren. Dabei wird geprüft, wie lange der Ton der Stimmgabel gehört wird. Die Ärztin oder der Arzt kann mit solchen Tests nicht nur erkennen, ob ein Ohr schlechter hört als das andere, sondern auch, ob das Problem im Mittelohr oder Innenohr liegt.
Bei „objektiven Tests“ wird die Aktivität der Sinneszellen oder im Gehirn mit speziellen Geräten gemessen. Bei der Untersuchung werden zum Beispiel leise Klicktöne erzeugt. Die Sinneszellen im Innenohr leiten die Reize nicht nur ans Gehirn weiter, sondern werfen auch Schallwellen zurück in den Gehörgang. Dort lassen sie sich mithilfe spezieller Mess-Mikrofone aufzeichnen. Aus dem Ergebnis lässt sich schließen, wie gut das Gehör funktioniert.
Manchmal sind weitere Untersuchungen wie etwa eine Computer- oder Kernspin-Tomografie nötig. Sie helfen, die genaue Ursache herauszufinden.
In Berufen, in denen man starkem Lärm ausgesetzt ist – etwa von lauten Maschinen oder Fluglärm –, ist ein ausreichender Gehörschutz wichtig. Um Schwerhörigkeit vorzubeugen, gelten oft zusätzliche Lärmschutzvorschriften am Arbeitsplatz.
Privat ist es wichtig, die Ohren nicht mit lauter Musik, etwa per Kopfhörer, zu überlasten. Bei sehr lauten Konzerten oder im Club kann man zum Beispiel Ohrstöpsel tragen, um das Gehör zu schonen. Beim Heimwerken sollte auch bei kurzer Lärmbelastung immer ein entsprechender Gehörschutz getragen werden.
Manchmal lässt sich eine Schwerhörigkeit ursächlich behandeln – zum Beispiel, wenn sie Folge einer Mittelohrentzündung ist. Bei Erwachsenen, vor allem bei älteren Menschen, bleibt eine Schwerhörigkeit aber meist dauerhaft bestehen.
Dann kommen oft Hörgeräte infrage: Sie verstärken zu leise Schallwellen, dämpfen zu laute und lenken sie ins Innenohr. Dadurch sind Gespräche und die Teilnahme am sozialen Leben wieder besser möglich.
Sind die Sinneszellen in den Ohren so stark geschädigt, dass jemand kaum oder gar nichts mehr hört, können sogenannte Cochlea-Implantate (Innenohrprothesen) hilfreich sein.
Die Einschränkung des Hörens macht die Verständigung schwierig. Das kann bei schwerhörigen oder gehörlosen Menschen dazu führen, dass sie Kontakte zu anderen Personen zunehmend vermeiden. Manche fühlen sich aus vielen Bereichen des sozialen Lebens ausgeschlossen, einige werden ängstlich und niedergeschlagen.
Es kann passieren, dass eine Schwerhörigkeit von anderen nicht erkannt oder falsch eingeschätzt wird – und Betroffene etwa als unaufmerksam, arrogant, wunderlich oder sogar als demenzkrank beurteilt werden.
Auch Angehörige müssen lernen, damit umzugehen, wenn zum Beispiel die Eltern, die Partnerin oder der Partner immer schlechter hören. Durch die erschwerte Kommunikation kann es zu Spannungen und Frustration auf beiden Seiten kommen.
Um die Lebensqualität wieder zu steigern, ist es zuerst einmal wichtig, zu erkennen und zu akzeptieren, dass das Gehör nachgelassen hat. Im nächsten Schritt kann man sich ärztlich beraten lassen und überlegen, welche Behandlung geeignet ist. Sich an Hörhilfen wie Hörgeräte oder Cochlea-Implantate zu gewöhnen, erfordert zwar Geduld und Übung, kann aber in vielen Situationen eine deutliche Verbesserung bewirken.
Andere technische Hilfsmittel wie Kopfhörer, Lichtsignale oder sogenannte Übertragungsanlagen können den Alltag ebenfalls erleichtern. Lippenlesen und Gebärdensprache bieten zusätzliche Kommunikationsmöglichkeiten. Auch können sich Menschen im nahen Umfeld besser verständlich machen, indem sie einfache Gesprächsregeln beachten.
Die Hausarztpraxis ist meist die erste Anlaufstelle, wenn man krank ist oder bei einem Gesundheitsproblem ärztlichen Rat braucht. Informationen zur Gesundheitsversorgung in Deutschland helfen dabei, sich im Gesundheitssystem zurechtzufinden und eine passende Arztpraxis zu finden. Mit einer Frageliste kann man sich auf den Arztbesuch vorbereiten.
In Selbsthilfegruppen lassen sich Kontakte zu anderen Menschen knüpfen, die die mit der Schwerhörigkeit verbundenen Beschwerden, Gefühle und praktischen Probleme kennen. Neben der Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen, bieten Selbsthilfe-Organisationen oft auch weitere Unterstützung wie Informationsmaterial oder -veranstaltungen.
Bei der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS) kann online bundesweit nach einer passenden Selbsthilfeadresse gesucht werden.
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Aktualisiert am 28.08.2024
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