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Starkes Übergewicht (Adipositas)

Autoren/Herausgeber: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

Einleitung

Von starkem Übergewicht (Adipositas oder Fettleibigkeit) spricht man, wenn der Fettanteil übermäßig hoch ist. Er gilt als zu hoch, wenn der Body-Mass-Index (BMI) über 30 liegt. Eine Adipositas erhöht das Risiko für verschiedene chronische Erkrankungen wie zum Beispiel Diabetes, Arthrose oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Vor allem bei ausgeprägter Adipositas ist es daher sinnvoll, abzunehmen. Dies ist einfacher gesagt als getan, erfordert viel Engagement, Durchhaltevermögen und eine gute Unterstützung. Die gute Nachricht ist: Bereits eine Gewichtsabnahme von wenigen Kilogramm kann sich positiv auf die Gesundheit auswirken.

Bestimmte Programme können eine Gewichtsabnahme wirksam unterstützen. Für Menschen mit ausgeprägter Adipositas kann auch eine Magenoperation infrage kommen. Da solche Eingriffe das Leben stark verändern können, ist es wichtig, die Vor- und Nachteile gut abzuwägen.

Auf einen Blick

  • Das Körpergewicht wird von vielen Faktoren beeinflusst: Ernährung, Lebensumständen, bestimmten Krankheiten und Medikamenten sowie der Veranlagung.
  • Starkes Übergewicht entwickelt sich meist über Jahre oder Jahrzehnte.
  • Es erhöht das Risiko für verschiedene Krankheiten.
  • Zum Abnehmen wird meist eine Kombination aus einer Ernährungsumstellung und mehr Bewegung empfohlen.
  • Verschiedene Programme können beim Abnehmen helfen.

Ursachen und Risikofaktoren

Bei den meisten Menschen ist Adipositas die Folge eines unausgewogenen Energiehaushalts: Sie nehmen mehr Kalorien auf, als sie verbrauchen. Die überschüssigen Kalorien werden vom Körper als Fett eingelagert.

Es gibt viele verschiedene Faktoren, die zu einer Gewichtszunahme beitragen können. Dazu gehören zum Beispiel die Ernährung und der Lebensstil, die genetische Veranlagung, bestimmte Krankheiten sowie psychologische und soziale Faktoren. Auch bestimmte Medikamente können zu einer Gewichtszunahme führen, zum Beispiel manche Psychopharmaka und einige Diabetesmedikamente.

Gesellschaftliche Entwicklungen machen es zunehmend schwieriger, die Aufnahme von Kalorien und ihren Verbrauch ausgeglichen zu halten. So arbeiten heute weniger Menschen als früher in Berufen, die körperlich anstrengend sind. Wege werden häufiger mit dem Auto statt zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt. Auch in der Freizeit überwiegt oft eine „sitzende“ Lebensweise, etwa vor dem Fernseher oder mit dem Smartphone. Dadurch werden im Alltag weniger Kalorien verbraucht.

Gleichzeitig steht in Industrieländern ein großes Angebot zuckerhaltiger Getränke und kalorienreicher Nahrungsmittel zur Verfügung. Zum Beispiel sind Snacks wie Süßigkeiten, Kartoffelchips oder Nüsse zwischen den Hauptmahlzeiten gang und gäbe. Nicht zuletzt kann Alkohol zu einer Gewichtszunahme führen – er enthält sogar mehr Kalorien als Zucker.

Häufigkeit

Nach Daten des Robert Koch-Instituts sind in Deutschland etwa 24 % aller Männer und Frauen stark übergewichtig. Sie haben zu etwa

  • 17 % eine Adipositas Grad 1 mit einem BMI zwischen 30 und 35,
  • 5 % eine Adipositas Grad 2 mit einem BMI zwischen 35 und 40,
  • 2 % eine Adipositas Grad 3 mit einem BMI ab 40.

Etwa 6 % der Kinder und Jugendlichen haben eine Adipositas, Jugendliche häufiger als Kinder.

Verlauf

Bei den meisten Menschen entwickelt sich die Adipositas im Erwachsenenalter. Dies passiert nicht von heute auf morgen, sondern über Jahre oder Jahrzehnte. Die meisten Menschen nehmen irgendwann zwischen ihrem 30. und 60. Geburtstag zu. Wenn sie ins Berufsleben eintreten oder eine Familie gründen, bewegen sich viele im Alltag weniger und haben weniger Zeit für Sport. Im Laufe des Lebens können aber auch andere Risikofaktoren hinzukommen, zum Beispiel bestimmte Erkrankungen.

Bei Frauen kann eine Schwangerschaft der Auslöser für eine bleibende Gewichtszunahme sein. Einige Monate nach der Geburt nähern sich die meisten Frauen zwar ihrem Gewicht vor der Schwangerschaft wieder an. Manche wiegen aber dauerhaft mehr als vorher. Auch in den Wechseljahren nehmen viele Frauen zu. Hierfür werden verschiedene Gründe diskutiert, unter anderem Veränderungen im Hormonhaushalt und im Stoffwechsel.

Manche Menschen haben bereits im Kindes- oder Jugendalter Übergewicht. Sie haben es oft besonders schwer, später Gewicht abzunehmen.

Folgen

Eine Adipositas kann zu verschiedenen Erkrankungen führen. Dazu gehören:

Außerdem kann starkes Übergewicht den Blutdruck erhöhen sowie zu ungünstigen Cholesterinwerten führen. Dadurch steigt das Risiko für Gefäßerkrankungen. Dabei gilt: Je ausgeprägter die Adipositas ist und je länger sie besteht, desto höher das Risiko für Folgeerkrankungen.

Es gibt unterschiedliche Auffassungen darüber, ob man Adipositas als eigene Erkrankung betrachten soll. Als Erkrankung sehen sie zum Beispiel die Deutsche Adipositas-Gesellschaft und die Weltgesundheitsorganisation (WHO), aber nicht die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM). Für die DEGAM ist Adipositas ein Risikofaktor, der immer gemeinsam mit anderen Risikofaktoren eines Menschen betrachtet werden sollte, um den Gesundheitszustand zu beurteilen. Vor allem Menschen mit einer Adipositas Grad 1 fühlen sich oft nicht weniger gesund oder unwohler als schlankere Menschen. Außerdem gibt es Menschen mit Adipositas, die körperlich fit sind und einen gesunden Stoffwechsel haben.

Diagnose

Von Adipositas spricht man bei einem Body-Mass-Index (BMI) von mindestens 30. Der BMI errechnet sich aus der Körpergröße im Verhältnis zum Körpergewicht:

Grafik: BMI-Berechnung - wie im Text beschrieben

Der BMI sagt allerdings nichts über die Verteilung des Körperfetts aus. Da vermehrtes Bauchfett mit einem größeren gesundheitlichen Risiko einhergeht als Fett an anderen Körperstellen, wird zusätzlich zum BMI der Bauchumfang bestimmt. Ein Bauchumfang – gemessen etwa zwischen Rippenbögen und Beckenkamm – von über 102 Zentimetern bei Männern und 88 Zentimetern bei Frauen deutet auf viel Bauchfett hin. Dieses Maß berücksichtigt allerdings weder den individuellen Körperbau noch das Alter eines Menschen.

Eine Adipositas kann auch Folge einer Erkrankung sein, zum Beispiel einer Schilddrüsenunterfunktion. Daher ist es wichtig, solche möglichen Ursachen zu prüfen – etwa indem man die Schilddrüsenwerte bestimmt. Manchmal wird Adipositas vorschnell allein auf eine falsche Ernährung oder zu wenig Bewegung zurückgeführt.

Das Risiko für Folgeerkrankungen lässt sich besser beurteilen, wenn das Körpergewicht zusammen mit anderen Risikofaktoren betrachtet wird. Deshalb können zum Beispiel die Blutdruck-, Blutzucker-, Cholesterin- oder Nierenwerte bestimmt werden.

Manche Menschen mit Adipositas machen die Erfahrung, dass Ärztinnen und Ärzte vorwiegend die Folgeerkrankungen der Adipositas behandeln, dem Gewicht selbst aber nicht genug Aufmerksamkeit schenken. Es kann hilfreich sein, sich die Fragen, die man im Arztgespräch stellen möchte, vorher aufzuschreiben, damit man sie nicht vergisst.

Behandlung

Um die Gesundheit zu verbessern, ist es nicht notwendig, den BMI auf einen bestimmten Wert zu senken. Je nach Ausgangsgewicht empfehlen Ärztinnen und Ärzte eine Gewichtsabnahme von 5 bis 10 % innerhalb von 6 bis 12 Monaten.

Damit die Gewichtsabnahme gelingt, ist es sinnvoll, einen Plan zu entwickeln, der zu den eigenen Zielen und Lebensumständen passt. Manche Menschen möchten Gewicht verlieren, weil sie sich in ihrem Körper nicht wohlfühlen. Anderen geht es vor allem um die körperliche Fitness und Leistungsfähigkeit. Und wieder andere haben gesundheitliche Gründe.

Zum Abnehmen wird in der Regel eine Kombination aus mehr Bewegung und einer Ernährungsumstellung empfohlen. Es gibt verschiedene, zum Teil wissenschaftlich geprüfte und von medizinischen Fachgesellschaften empfohlene Programme zur Gewichtsabnahme, die dabei unterstützen können. Sie müssen allerdings oft selbst bezahlt werden, denn sie gelten nicht als Behandlung, sondern als „Lebensstil-Maßnahme“. Manche Krankenkassen bezuschussen aber die Kosten für eine Teilnahme.

Solche Programme enthalten meist auch verhaltenstherapeutische Elemente. Sie vermitteln zum Beispiel, wie

  • eine Ernährungsumstellung so flexibel gestaltet werden kann, dass sie im Alltag durchzuhalten ist,
  • sich mehr körperliche Bewegung in den Alltag einbauen lässt und
  • man mit Umständen umgeht, die man selbst nicht verändern kann (zum Beispiel bei der Arbeit).

Wenn ein Ernährungs- und Bewegungsprogramm nicht ausreicht, kann eine ergänzende Behandlung mit einem Medikament das Abnehmen unterstützen.

Nach dem Abnehmen auf Dauer nicht wieder zuzunehmen, ist meist schwerer als das Abnehmen selbst. Dies hat mit Stoffwechsel, Hormonhaushalt und zentralem Nervensystem zu tun: Diese sind darauf ausgerichtet, den Körper im Gleichgewicht zu halten – und nicht darauf, abzunehmen. Zudem geht durch einen Gewichtsverlust auch die Muskelmasse zurück. Dadurch braucht der Körper weniger Energie, also weniger Kalorien. Das bedeutet: Je mehr man abnimmt, desto schwieriger wird es, das erreichte Gewicht zu halten oder noch mehr Gewicht zu verlieren. Vielen Menschen fällt es außerdem schwer, Gewohnheiten und Verhaltensweisen dauerhaft zu ändern, die sich über viele Jahre entwickelt haben.

Wer sich nach dem Abnehmen weiterhin ausgewogen ernährt und ausreichend bewegt, kann es am ehesten schaffen, sein Gewicht über längere Zeit zu halten oder nur wenig zuzunehmen. Das Wichtigste dabei ist, auf Dauer nicht mehr Kalorien zu sich zu nehmen, als man verbraucht.

Für Menschen mit starker Adipositas (Grad 2 oder 3) kann eine chirurgische Behandlung infrage kommen. Zu den Standardtechniken gehören der Magenbypass und die Magenverkleinerung (Schlauchmagen). Da diese Eingriffe zu verschiedenen Komplikationen und Nebenwirkungen führen können und nach der Operation viele Anpassungen im Leben notwendig sind, ist es wichtig, die Vor- und Nachteile gut abzuwägen.

Leben und Alltag

Eine Adipositas kann die körperliche Belastbarkeit und Beweglichkeit verschlechtern. So können Alltagstätigkeiten wie Treppensteigen und körperliche Aktivitäten beschwerlich werden. Vor allem bei ausgeprägter Adipositas können auch die Lebensqualität und das Wohlbefinden beeinträchtigt sein. Wer stark übergewichtig ist, erlebt häufig Vorurteile und Benachteiligungen.

Stark übergewichtige Menschen entsprechen nicht dem gängigen Schönheitsideal, wie es zum Beispiel im Fernsehen, in den sozialen Medien oder der Werbung gezeigt wird. Dies kann dazu führen, dass sie an sich selbst zweifeln. Es kann sie auch davon abhalten, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen und zum Beispiel körperlich aktiv zu sein oder ins Schwimmbad zu gehen. Für manche Menschen mit Adipositas ist es hilfreich, sich mit anderen Betroffenen zum Sport zu treffen oder sich in einer Selbsthilfegruppe auszutauschen.

Manchmal hängt eine Adipositas auch eng mit Depressionen, Essstörungen oder anderen psychischen Erkrankungen zusammen. Dann ist es sinnvoll, beides zusammen zu betrachten.

Weitere Informationen

Die Hausarztpraxis ist meist die erste Anlaufstelle, wenn man krank ist oder bei einem Gesundheitsproblem ärztlichen Rat braucht. In unserem Thema „Gesundheitsversorgung in Deutschland“ informieren wir darüber, wie man die richtige Praxis findet – und mithilfe unserer Frageliste möchten wir dabei helfen, sich auf den Arztbesuch vorzubereiten.

Für Menschen mit Adipositas gibt es in Deutschland zahlreiche Angebote zur Unterstützung. Dazu gehören Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen. Viele dieser Einrichtungen sind aber vor Ort unterschiedlich organisiert. Eine Liste von Anlaufstellen hilft, passende Angebote zu finden und zu nutzen.

Quellen

Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG). Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur „Prävention und Therapie der Adipositas“ (in Überarbeitung). AWMF-Registernr.: 050-001. 2014.

Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV). Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen (S3-Leitlinie). AWMF-Registernr.: 088-001. 2018.

Mensink GB, Schienkiewitz A, Haftenberger M et al. Übergewicht und Adipositas in Deutschland: Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2013; 56(5-6): 786-794.

Schienkiewitz A, Brettschneider S, Damerrow A et al. Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter in Deutschland – Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle 2 und Trends. Journal of Health Monitoring 2018; 3(1): 16-23.

World Health Organization (WHO). Obesity: preventing and managing the global epidemic. Report of a WHO consultation. Geneva: WHO; 2000.

IQWiG-Gesundheitsinformationen sollen helfen, Vor- und Nachteile wichtiger Behandlungsmöglichkeiten und Angebote der Gesundheitsversorgung zu verstehen.

Ob eine der von uns beschriebenen Möglichkeiten im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist, kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt geklärt werden. Gesundheitsinformation.de kann das Gespräch mit Fachleuten unterstützen, aber nicht ersetzen. Wir bieten keine individuelle Beratung.

Unsere Informationen beruhen auf den Ergebnissen hochwertiger Studien. Sie sind von einem Team aus Medizin, Wissenschaft und Redaktion erstellt und von Expertinnen und Experten außerhalb des IQWiG begutachtet. Wie wir unsere Texte erarbeiten und aktuell halten, beschreiben wir ausführlich in unseren Methoden.

Aktualisiert am 24.08.2022

Nächste geplante Aktualisierung: 2025

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