Wie kamt ihr zu der Entscheidung, ein Führungstandem zu bilden?
Svenja: Wir standen damals vor der Entscheidung, ob wir unser Team in zwei Teams aufteilen oder als Führungstandem gemeinsam die Verantwortung für das Welcome Team übernehmen. Unser Team ist über die Zeit stark gewachsen und es sind zu viele Mitarbeitende für eine einzige Führungskraft geworden. Der einheitliche Wunsch aus dem Team war es, keine Aufteilung vorzunehmen. Wir waren zu dem Zeitpunkt schon ein eingespieltes Team, sodass eine Aufteilung vermutlich eher ein Mehraufwand gewesen wäre. So ist uns dann die Idee gekommen, ein Führungstandem zu bilden. In einem anderen Bereich gab es damals schon den Umsetzungsversuch einer geteilten Führung. Mit den beiden Führungskräften des Pilotteams sind wir dann in den Austausch gegangen, um mögliche Vor- und Nachteile dieser Idee abzuwägen.
Welche Vorteile bietet das Konzept?
Anna: Für uns als Führungskräfte ist es sehr wertvoll, jemanden zu haben, mit dem man sich austauschen kann. Wir profitieren somit von den Ideen, Erfahrungen und Einwänden des jeweils anderen.
Svenja: Dem kann ich mich nur anschließen. Die Entscheidungen, die wir auf dieser Grundlage zusammen treffen, sind durch den gemeinsamen Austausch sehr reflektiert. Außerdem kann man sich in seinen persönlichen Stärken gegenseitig ergänzen, was auch für das Team sehr bereichernd sein kann. Unser Team hat zudem den Vorteil, dass auch bei Krankheitsfällen oder in Urlaubszeiten jemand von uns als Ansprechpartnerin zur Verfügung steht.
Wie funktioniert die geteilte Führung in der Praxis?
Svenja: Wir haben eine klare Aufteilung der Mitarbeitenden in unserem Team vorgenommen, sodass die eine Hälfte des Teams Anna zugeordnet ist und die andere Hälfte des Teams mir. Somit gibt es keine Unklarheiten darüber, wer von uns die richtige Ansprechpartnerin bei jeglichen organisatorischen Anliegen ist. An wichtigen Veranstaltungen und Austauschformaten nehmen wir jedoch gemeinsam teil. So haben wir beide alles im Blick und können verschiedene Sichtweisen bestmöglich einbringen.
Anna: Das war tatsächlich auch ein „Learning by Doing“. Wir haben einige Sachen ausprobiert, unter anderem die Aufteilung der Teilnahme an den eben genannten Austauschformaten. Dabei haben wir festgestellt, dass eine Aufteilung hier weniger effektiv und effizient ist. Das Briefing danach hat uns im Endeffekt doch zu viel Zeit gekostet und wir hatten beide das Gefühl, nicht zu 100 Prozent fit im Thema zu sein. Durch diese Phase des Ausprobierens haben wir es geschafft, unsere Ressourcen bestmöglich einzuteilen und mittlerweile haben wir uns wirklich gut organisiert.
Welche Rückmeldung habt ihr von eurem Team zur geteilten Führung erhalten?
Anna: Die Rückmeldung des Teams war zu Beginn etwas durchmischt. Durch den zusätzlichen Austausch, den Svenja eben schon angesprochen hat, kam es besonders anfangs teilweise zu längeren Entscheidungswegen. An diese zeitliche Verzögerung musste sich das Team erst einmal gewöhnen. Wir haben nach einer entsprechenden Rückmeldung vom Team aber natürlich auch versucht, den Entscheidungsprozess zu beschleunigen und somit effizienter zu gestalten. Mittlerweile ist dies aber kein Thema mehr und die Resonanz unseres Teams ist überwiegend positiv.
Svenja: Außerdem wurde das Team von Anfang an in die Entscheidung eines Führungstandems einbezogen und hatte sich dabei für die geteilte Führung anstelle einer Aufteilung ausgesprochen. Das Team profitiert darüber hinaus insbesondere davon, dass so gut wie immer eine von uns beiden als Ansprechpartnerin zur Verfügung steht und uns niemand aus dem Team vertreten muss.
Gibt es auch Herausforderungen bei der geteilten Führung und wenn ja wie geht ihr damit um?
Anna: Neben der Herausforderung bezüglich der zeitlichen Effizienz und längeren Entscheidungswegen würde mir spontan nur die Konsistenz von Entscheidungen einfallen. Damit meine ich, dass wir darauf achten müssen, dass nicht eine von uns beiden A und die andere B sagt. Diese Herausforderung lässt sich durch regelmäßige Absprachen sowie durch die Perspektivübernahme des jeweils anderen dennoch gut bewältigen.
Svenja: Die zeitliche Komponente wäre auch die einzige Herausforderung, die ich bei uns sehe. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass es mehr Herausforderungen gäbe, wenn wir nicht so ähnliche Wertevorstellungen hätten. Von daher ist es in meinen Augen wichtig, zu schauen, dass man als Führungstandem ein gemeinsames Führungsverständnis und einen ähnlichen Führungsstil besitzt und entwickelt.
Für wen ist das Job-Sharing Konzept geeignet?
Anna: Personen, die gemeinsam in Führung gehen, sollten geteilte Wertevorstellungen haben. Daher ist es wichtig, sich bereits vor der Bildung eines Führungstandems zu kennen. Ich stelle es mir zumindest schwierig vor, mit jemandem gemeinsam in Führung zu gehen, den ich gar nicht kenne. Es ist zudem wichtig, Geduld, kommunikative Fähigkeiten und Empathie mitzubringen. Des Weiteren sollte man kein Einzelkämpfer, sondern ein Teamplayer sein, wenn man in geteilte Führung gehen möchte.
Anna: Aus meiner Perspektive heraus war es auch eine gute Möglichkeit, um neu in Führung zu gehen. Ich hatte dadurch die privilegierte Situation, nicht nur während des Onboardings, sondern auch darüber hinaus von den Führungserfahrungen von Svenja zu profitieren. Auch mit anderen Verpflichtungen, die man neben dem Job hat, sei es das Studium bei mir oder die Familie bei Svenja, lässt sich die geteilte Führung gut meistern. Weil man immer jemanden hat, von dem man unterstützt wird.
Was würdet ihr Personen mit auf den Weg geben, die daran interessiert sind, in geteilte Führung zu gehen?
Svenja: Probiert es aus! Springt ins kalte Wasser und startet vielleicht mal mit einer Testphase.
Anna: Das würde ich auch sagen. Es macht auf jeden Fall sehr viel Spaß, gemeinsam in Führung zu gehen und das Konzept bietet viele Chancen. Also seid geduldig, mutig und neugierig, wenn es darum geht, innerhalb des Führungstandems Dinge auszuprobieren!