Der Tag beginnt und die Augenlider sind bleischwer. Nichts geht leicht von der Hand, die Leistungsfähigkeit leidet. „Wo ist nur meine Energie geblieben? Und ist es noch normal, dass ich ständig müde bin?“, fragen sich viele.
„Müdigkeit ist an sich ein sinnvoller natürlicher Zustand, der nach Anstrengung oder Stress auftreten kann und durch den der Körper signalisiert: Mir fehlt Energie, ich brauche Ruhe“, sagt Dr. Hans-Günter Weeß, Leiter der schlafmedizinischen Abteilung des Pfalzklinikums Klingenmünster. Fühlt man sich jedoch chronisch müde und leidet man bereits mehrere Monate an Schlafstörungen, sollte man sich mit dem Hausarzt oder der Hausärztin besprechen. Der Hausarzt oder die Hausärztin kann dann per Überweisung auch an ein Schlaflabor vermitteln. Neben zu wenig Schlaf oder einer Schlafstörung können auch Erkrankungen dahinterstecken.
Ständig müde durch Mangel
Chronische Müdigkeit kann durch einen ungesunden Lebensstil und bestimmte Mangelzustände entstehen:
- Bewegungsmangel: Bewegen wir uns tagsüber dauerhaft zu wenig, ermüden wir schneller. „Werden Kreislauf, Durchblutung und Stoffwechsel nicht angeregt, Gelenke und Muskulatur nicht beansprucht, erlahmen viele Körperfunktionen“, sagt Schlafforscher Weeß.1
- Lichtmangel: Viele Menschen verbringen die meiste Zeit bei künstlichem Licht. Bei Mangel an Tageslicht schüttet der Körper jedoch mehr Melatonin aus. Dieses natürliche „Schlafhormon“ sorgt dafür, dass der Körper herunterfährt.2
- Nährstoffmangel durch einseitige Ernährung: „Zu wenig Vitamin D, Vitamin B12, Eisen oder Magnesium kann die Energieproduktion im Körper beeinträchtigen und Erschöpfung hervorrufen“, weiß der Experte. Bei einer ausgewogenen Ernährung hat man in der Regel allerdings keinen Vitaminmangel. Ob die Einnahme von Vitamin D, das normalerweise in Fisch oder Eigelb vorhanden ist, sinnvoll ist, bespricht man mit dem Hausarzt oder der Hausärztin.
- Flüssigkeitsmangel: Trinken wir zu wenig, können Körperzellen viele Funktionen nicht mehr gut erfüllen. Das Blut wird dickflüssiger, die Durchblutung schlechter, der Blutdruck sinkt. Das Gehirn erhält zu wenig Sauerstoff.3 Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt als Richtwert 1,5 Liter pro Tag.
- Erholungsmangel: „Bei Dauerstress schüttet der Körper ständig Stresshormone aus“, sagt Weeß. Bleibt die nötige Entspannungsphase aus, ist Erschöpfung auf mehreren Ebenen die Konsequenz.
Ständig müde durch Medikamente
Wer Medikamente nimmt, sollte in den Beipackzettel schauen. Manchmal ist Müdigkeit eine unerwünschte Nebenwirkung. Keinesfalls sollte man verordnete Arzneien einfach absetzen. Aber man kann mit Ärzten bzw. Ärztinnen oder schlafmedizinischem Fachpersonal besprechen, ob es eine Alternative gibt. „Mitunter lässt sich auch die Einnahme des Mittels anders timen, sodass man den müde machenden Effekt in die Schlafenszeit verlegt und tagsüber dennoch fit ist“, sagt der Experte.
Folgende Arzneien können zu Müdigkeit, Schläfrigkeit und Energiemangel führen:
- Antidepressiva
- Antihistaminika zur Behandlung von Allergien
- Benzodiazepine gegen Angstzustände, Schlafstörungen und Muskelkrämpfe
- Betablocker als Therapie bei Bluthochdruck
- Antiepileptika, zum Beispiel bei Polyneuropathie, einer Erkrankung des Nervensystems, bei der Reize nicht korrekt an das Gehirn weitergeleitet werden
- Schilddrüsenmedikamente
- Einige Schmerzmittel, insbesondere Opioide
- Krebstherapeutika
Müdigkeit als Krankheitssymptom
Es gibt zahlreiche Krankheiten, bei denen Müdigkeit ein häufiges Symptom ist – und nur eines von vielen. „Oft werden etwa Depressionen nicht als Ursache für eine ausgeprägte Müdigkeit erkannt“, sagt Schlafforscher Weeß. Normal ist, dass man bei akuten Infektionen müde ist. In seltenen Fällen können Infektionen jedoch in eine chronische Form übergehen, bei der Symptome wie Müdigkeit, Erschöpfung und Antriebsschwäche bis zu sechs Monate bestehen – manchmal auch länger. Man kennt dies von Infektionen mit Epstein-Barr-Viren (Pfeiffersches Drüsenfieber) oder Covid-19.4
Der Überblick zeigt, welche Krankheiten oft von Müdigkeit begleitet werden:
- Herzschwäche5
- Schilddrüsenunterfunktion6
- Infektionen mit Viren oder Bakterien7
- Blutarmut, zum Beispiel durch Eisenmangel8
- Niedriger Blutdruck (Hypotonie)9
- Krebserkrankungen10
- Depressionen und Angststörungen11
- Nächtliche Atemaussetzer (Schlafapnoe)12
- Chronisches Fatigue-Syndrom (CFS), auch im Rahmen von Post-Covid
- Migräne13
Fazit
Wer über längere Zeit unter Müdigkeit leidet, sollte in jedem Fall eine ärztliche Praxis aufsuchen. Der Arzt oder die Ärztin stellt Fragen etwa zu Symptomen, Schlafverhalten und Krankengeschichte. Körperliche Untersuchungen, eventuell Labortests und bildgebende Verfahren können folgen.14