Meinungen gibt es viele – Charaktere auch. Wenn zwei zu unterschiedliche Konstellationen aufeinanderprallen, kann es krachen. Es sei denn, man weiß, wie man damit umgehen kann. Susanne Dölz, Expertin für Selbst-Führung aus Poing bei München, erklärt, wie man das lernen kann.
Frau Dölz, was bedeutet das: konfliktfähig zu sein?
Konfliktfähigkeit besteht aus mehreren Komponenten. Wir brauchen als Basis gute Selbststeuerungskompetenzen – das heißt, wir können unsere Denk-, Fühl- und Verhaltensmuster reflektieren und bei Bedarf verändern. Wenn wir zum Beispiel merken, dass eine Situation aus dem Ruder läuft und wir kurz davor sind, aus Reflex überzureagieren, können wir gegensteuern. Wichtig ist, dass wir uns dann einen Moment zurücknehmen und uns über unsere Gefühle und Bedürfnisse klarwerden. Sind wir wütend, traurig, frustriert oder verletzt? Dann sollten wir überlegen, was eine angemessene Reaktion ist und danach handeln. Werden solche Emotionen bei Konflikten einfach an die Seite gedrängt, kommen sie uns trotzdem wieder in die Quere. Dann eskaliert der Konflikt oder wird auf einem anderen Schauplatz wieder neu ausgetragen. Habe ich mich zum Beispiel verletzt gefühlt, sage aber nichts, besteht die Gefahr, dass ich es dem anderen bei nächster Gelegenheit heimzahle. Meist läuft das nicht bewusst, sondern auf Autopilot. Daher ist es gut, wenn man seine empfindsamen Punkte, die „heißen Knöpfe“ kennt: Worauf reagieren wir automatisch besonders sensibel?
Was bedeutet das: eskaliert?
Dann wird zum Beispiel jedes Wort auf die Goldwaage gelegt. Wir empfinden den anderen mehr und mehr als Gegner und man schaukelt sich gegenseitig weiter hoch, statt eine Lösung zu suchen.
Und was hat es mit den heißen Knöpfen auf sich? Warum hat man die?
Die entstehen oft aus nicht verarbeiteten negativen Erfahrungen. Wenn Sie sich beispielsweise oft nicht ernstgenommen fühlen, das aber nicht zu Ihrer Zufriedenheit klären können, dann entwickeln Sie dafür eine starke Sensibilität. Beim leisesten Verdacht, das könne wieder der Fall sein, reagieren Sie unangemessen heftig. Da kommen alte und neue Emotionen in einen Topf.
Wenn Sie bestimmte Reaktionen gut von sich kennen, hilft es, sich klar zu machen, dass die Situation jetzt eine andere ist als damals.
Okay, zurück zu den Kompetenzen. Sie sagten, es seien mehrere: Was braucht man noch?
Wir brauchen kommunikative Kompetenzen, um das, was wir denken, fühlen oder wollen, vernünftig auszudrücken und nicht einfach loszuschimpfen. Und wir brauchen eine gewisse Analysefähigkeit in Konflikten, um die Situation insgesamt zu erfassen. Sonst stochert man im Nebel herum. Dazu gehört auch, dass wir einen Konflikt überhaupt als solchen erkennen und über Einfühlungsvermögen verfügen, um die Stimmung des anderen zu spüren.
Warum können das manche Menschen und andere nicht?
Die Grundlagen für Konfliktfähigkeit werden in der Familie gelegt: Wie wurde mit unterschiedlichen Zielen, Wünschen oder Meinungen umgegangen? Wurden Konflikte offen ausgetragen? Konnte man etwas ansprechen, ohne dass man zum Beispiel die Liebe verliert. Passiert sowas, lernt man natürlich, dass es nicht gut tut, den Mund aufzumachen. Oft spielen die Erwachsenen auch heile Welt. Da wird einfach Harmonie über das Problem gelegt. So lernen Kinder natürlich nicht, Konflikte auszutragen. Oder wenn Kinder mitbekommen, wie die Eltern sich streiten, einer weint, Türen knallen. So erleben sie Streit als etwas Schlimmes und behalten zukünftig ihre Meinung lieber für sich.
Kann man es als Erwachsener noch lernen, wenn es in der Kindheit nicht so gut gelaufen ist?
Ja natürlich, das kann man auch später noch lernen, auch wenn es dann etwas schwieriger ist, weil wir die alten Reflexe ablegen müssen. Als Kind ist man solchen Situationen ja ausgeliefert. Erst als Erwachsene haben wir die Fähigkeit, Situationen besser zu durchschauen und entsprechende Entscheidungen zu treffen. Wir lernen Neues, indem wir Dinge ausprobieren und das Ergebnis reflektieren. Wir können uns Wissen über den Umgang mit Konflikten aneignen oder uns mit anderen austauschen. Wenn wir nicht weiter kommen, können wir beobachten, wie andere so etwas lösen und es auch mal so versuchen. Fahren wir damit besser, haben wir schon etwas gelernt.
Kann man es auch wieder verlernen?
Nein, was man kann, kann man. Man entwickelt Konfliktkompetenz durch Situationen, die man gut gelöst hat. Warum sollte man das wieder verlernen? Es scheint manchmal nur so, weil wir nicht in jeder Lebenslage alle Fähigkeiten abrufen können.
Und was tut man, wenn einen jemand in einer Konfliktsituation immer und immer wieder reizt?
Ja, es gibt in der Tat Menschen, bei denen kommt man weder mit seinem Können, noch mit seinen Erfahrungen weiter. Da gerät man schnell an die Grenzen seiner Einflussmöglichkeiten. Manche Menschen spielen nun mal Spielchen und wollen einen Konflikt gar nicht lösen. Sie wollen nur Aufmerksamkeit und Selbstbestätigung.
Wie geht man mit solchen Menschen um? Bei aller Rationalität, selbst, wenn man durchschaut, dass sie Spielchen spielen, geht es einem doch selbst nah, kann verunsichern oder verletzen...
Am besten steigen wir gar nicht in das Spiel ein, sondern distanzieren uns und handeln besonnen. Das fällt natürlich schwer. Man ist ja kein Roboter. Wichtig ist die Frage, warum einen das Verhalten des anderen so sehr reizt. Ob wir auf etwas anspringen, hat ja in erster Linie mit uns selbst zu tun. Wir fühlen uns zurückgesetzt, abgewertet, nicht wahrgenommen. Oft liegt es an den eigenen heißen Knöpfen. Erst wenn wir wissen, warum uns das Verhalten der anderen Person so berührt, können wir uns selbst so weit herunterkühlen, dass ein vernünftiges Gespräch möglich ist. Hilfreich ist auch eine Pause, um erst mal Abstand zu gewinnen.
Das ist ja unfair: Da reizt jemand immer wieder und dann muss sich der andere auch noch selbst beherrschen, um die Situation nicht eskalieren zu lassen.
Ja, manchmal möchte man am liebsten ausflippen. Aber damit steigt man nur ins Spiel ein und macht sich vor, man sei ja nur das Opfer. Um wieder steuerungsfähig zu werden, können wir uns bewusst machen, dass der andere gerade ein Problem hat. Und versuchen herauszufinden, worum es ihm eigentlich geht. So mancher Hitzkopf beruhigt sich, wenn er feststellt, dass man sich ernsthaft für ihn und seine Belange interessiert. Dann gibt es noch Persönlichkeiten wie Choleriker oder Narzissten, die sind eine ganz andere Herausforderung.
Was macht denn diese beiden Persönlichkeiten aus?
Choleriker sind leicht erregbar, unbeherrscht und neigen zu Wutausbrüchen. Wenn etwas nicht nach ihren Vorstellungen geht, empfinden sie das sofort als persönlichen Affront und reagieren darauf mit ungehemmter Aggression. Sie haben nie gelernt, sich selbst zu regulieren und ihre Wünsche anders als durch Druck zu verwirklichen. Darum kommt von ihnen immer sofort ein emotionaler Großangriff. Sie toben.
Wie geht man damit um?
Austoben lassen, der Druck muss aus dem Kessel. Wer jetzt argumentiert, die Sache kleinredet oder Appelle zur Beruhigung ausspricht, gießt nur Öl in Feuer. Man kann später versuchen, noch mal in Ruhe ein sachliches Gespräch mit dem Choleriker zu führen, wenn einem die Sache wichtig ist. Vermeiden Sie Rechtfertigungen oder Entschuldigungen, da er sich im Recht fühlt, spult er sich dann wieder auf. Versuchen Sie herauszufinden, worum es ihm in der Sache geht und versuchen Sie, seine wichtigsten Wünsche zu erfüllen. Wer freundlich bleibt und ihm Verständnis entgegenbringt, hat die besten Chancen, auch weil Choleriker meist nicht nachtragend sind. Wer sich dazu nicht in der Lage sieht, sollte ihm aus dem Weg gehen.
Und der Narzisst?
Narzissten haben ein extrem niedriges Selbstwertgefühl. Um das zu übertünchen, brauchen sie nicht nur übermäßige Anerkennung und Bestätigung von anderen, sondern spielen sich auch permanent als Superhelden auf. Der Narzisst ist immer in doppelter Mission unterwegs: Andere davon zu überzeugen, wie toll er ist – und auch sich selbst. Denn die eigenen Gefühle von Unzulänglichkeit wahrzunehmen, ist für den Narzissten nicht aushaltbar.
Wie verhält man sich ihm gegenüber in Konflikten?
Am besten halten Sie sich fern – wie vom Choleriker auch. Haben Sie trotzdem Interesse an ihm, oder sind zum Beispiel jobmäßig an ihn gebunden, sollten Sie ihm immer wieder zeigen, dass Sie ihn schätzen, respektieren und sich nicht so leicht von seinen Attitüden abschrecken lassen. Gleichzeitig müssen Sie ihm in Konflikten Grenzen setzen und die Auswirkungen seines problematischen Verhaltens verdeutlichen. Das ist ein Drahtseilakt, für den Sie innere Autorität, Sensibilität und gute Nerven brauchen. Sonst nimmt der Narzisst Sie als schwach wahr und versucht, Sie in seinem Sinne herumzubeuteln.
Und was gilt für alle anderen: Muss man immer Lösungen finden?
Nein, natürlich nicht. In manchen Konflikten können wir nachgeben, wenn die Sache nicht so wichtig für uns ist. Das spart Energie und ist gut für die Beziehung. Andere Konflikte können wir auf sich beruhen lassen – man muss nicht immer alles lösen. Und manche Konflikte sind leider unlösbar. Zumindest darüber sollten die Beteiligten sich dann einig werden, da ist viel gewonnen.