Die zwölf Nächte zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag gelten seit jeher als ganz besondere Zeit. Doch was hat es damit auf sich?
Die Zeit zwischen Weihnachten und dem 6. Januar war schon immer besonders. Die meisten Menschen lassen an diesen Tagen die Arbeit ruhen und besinnen sich auf Zeit mit ihren Liebsten. Das ist kein Trend unserer modernen Welt, sondern wurde bereits in der frühen Neuzeit so praktiziert. Da das Tageslicht während dieser Zeit rar ist, verbrachten die Menschen früher notgedrungen viel Zeit in der Gemeinschaft am Feuer und erzählten sich Geschichten – gern über gruselige Begegnungen und Wesen aus der Dunkelheit. Vor allem Letzteres ist uns Menschen bis heute nicht richtig geheuer, und so ist es kein Wunder, dass sich um diese Zeit viele Mythen ranken.
Der Ursprung der Rauhnächte ist unsere Zeitrechnung
Die zwölf Tage, die wohl sagenumwobenste Zeit des Jahres, sind eigentlich auf unseren eigenen Kalender zurückzuführen. Wir haben diese Tage also selbst hinzugefügt. Denn im ursprünglichen Mondjahr gibt es nur 354 Tage, die Kelten fügten 11 Schalttage ein, um diese Differenz auszugleichen. Da diese Tage vom Menschen eingefügt wurden, so der Glaube, liegen sie außerhalb jeder natürlichen Zeit. Es gibt verschiedene, regional unterschiedliche Auslegungen der Rauhnächte. Sie reichen von drei bis elf Tagen, am häufigsten ist die Zeit zwischen dem Weihnachtstag (25. Dezember) und den Heiligen Drei Königen (6. Januar).
Folgt man der Mythologie, so sind in dieser Zeit alle Naturgesetze außer Kraft gesetzt und die Grenzen zu anderen Welten offen. Geister, Seelen der Verstorbenen, Hexen, Kobolde und andere Wesen treiben in den Nächten ihr Unwesen und brechen auf zur sogenannten „Wilden Jagd“. Auch sollen zauberkundige Menschen, die einen Pakt mit dem Teufel geschlossen haben, sich in dieser Zeit in Werwölfe verwandeln. Als solche sind sie eine Bedrohung für Mensch und Tier. Es gibt viele weitere Sagen um diese Zeit. Von sprechenden Tieren, Orakeln und wegweisenden Visionen bis hin zu Wettervorhersagen für das gesamte kommende Jahr ist die Rede. Ob das stimmt, ist eine Glaubensfrage, dennoch haben wir viele vorbeugende Maßnahmen etabliert.
Diese Rituale der Rauhnächte finden sich in unserer Tradition
Viele Rituale sind in unser Volksbrauchtum übergegangen, auch wenn wir die wenigsten von ihnen bewusst als Rituale der Rauhnächte wahrnehmen. Eines ist zum Beispiel das Feuerwerk an Silvester. Auch sein Ursprung liegt in dem Mythos der Nächte. Denn genau in dieser Nacht, der sechsten und somit der Mitte der Rauhnächte, bricht die „Wilde Jagd“ auf und das Geisterreich jagt aktiv durch die irdische Welt. Die Geister haben sozusagen Ausgang. Das Feuerwerk, das dadurch entstehende bunte Licht und der Lärm hält die Wesen von den menschlichen Behausungen fern und schützt Menschen und ihr Vieh. Früher war es geläufiger, aber auch heute räuchern noch viele Tierbesitzer in diesen Tagen ihre Ställe mit Weihrauch aus, denn auch dieser heilige Duft soll die Gespenster fernhalten.
Im Alpenraum finden jedes Jahr zu dieser Zeit die sogenannten Perchtenläufe statt. Die Percht, das ist die Göttin der Rauhnächte, soll dabei gehuldigt werden. Sie, so sagt es die Mythologie, wacht über die ruhende Arbeit und straft jene, die sich diesem Gebot widersetzen. Auch ein anderes lieb gewonnenes Silvesterritual, nämlich das Blei-/Wachsgießen ist auf die Rauhnächte zurückzuführen. Denn die Tage außerhalb der Zeit sollen sich hervorragend eignen, um Orakel zu befragen. Und nichts anderes tun wir mit dem Deuten der gegossenen Figuren.
Im 19. Jahrhundert schlichen sich übrigens zahlreiche unverheiratete Frauen in dieser Zeit nachts heraus, um auf dem Kreuzweg ihrem künftigen Ehemann zu begegnen. Sie durften ihn aber nicht ansprechen, sonst wären sie gestorben, so der Glaube.
Übrigens hat auch die Tradition, zwischen den Jahren keine Wäsche zu waschen, einen Ursprung im Aberglauben und ist keinesfalls einzig eine Frage des Müßiggangs. Früher hieß es nämlich, dass aufgehängte weiße Wäsche von Geisterrittern gestohlen wird und im kommenden Jahr als Leichentuch für seinen Träger zurückkehren wird. Auch sollte man in dieser Zeit besonders auf seine Träume achten, denn sie stehen, ebenso wie das Wetter an den entsprechenden Tagen, symbolisch für die zwölf Monate des kommenden Jahres. Zwölf Nächte also, die wegweisend für das gesamte neue Jahr sind. Irgendwie gruselig, oder?
Wofür sind die Rauhnächte heute gut?
Auch wenn wir heute vielleicht nicht mehr an Hexen, Geister, die „Wilde Jagd“ und die offenen Welten glauben, können die Rauhnächte ein Anlass für positive Rituale sein. Denn für viele von uns ist diese Zeit zwischen den Tagen besinnlich und vielleicht auch ein guter Anlass, um sich Zeit für Stille, Rückschau und innere Einkehr zu nehmen, Wünsche zu manifestieren und Pläne für das neue Jahr zu schmieden.
Typische moderne Rauhnachtrituale sind zum Beispiel Aufräumen und Putzen (ausmisten und entrümpeln soll jedoch Unglück bringen), Räuchern, Intentionen für das kommende Jahr festlegen, Meditation, Rückschau auf das vergangene Jahr, aber auch das Klären alter Angelegenheiten und das Zahlen von offenen Schulden.
In verschiedenen Ratgebern finden sich detaillierte Anwendungen für die Rauhnächte. Man kann sich jedoch auch selbst überlegen, wie man die Zeit nutzt. So können zum Beispiel Wünsche für das kommende Jahr aufgeschrieben werden und begleitend dazu überlegt werden, was man selbst dafür tun kann, um sie zu erreichen. Auch eine To-do-Liste ist eine gute Idee. Dort könnten Vorhaben stehen, wie zum Beispiel beim Chef eine Gehaltserhöhung anzufragen, den Traumurlaub zu buchen, den Keller zu entrümpeln oder etwas Neues zu lernen. Nicht zu kurz kommen sollte auch der Blick zurück auf all das, was man selbst geleistet und erlebt hat – positiv und negativ. So werden die Rauhnächte auch ohne Aberglauben zu einem besonderen Erlebnis.