Kälte, Wärme, Druck – diese und andere Faktoren können eine Nesselsucht (Urtikaria) auslösen. Der juckende Hautausschlag kann schnell kommen und schnell gehen – oder aber über Jahre immer wieder auftreten. Der Gang zum Hautarzt scheint dann unausweichlich.
Nesselsucht – was ist das?
Medizinisch gesehen handelt es sich bei der Nesselsucht um eine Störung des Immunsystems der Haut, erklärt Dr. Thomas Dirschka, Hautarzt aus Wuppertal. Unterschieden wird dabei zwischen einer akuten und einer chronischen Urtikaria. Die Symptome Hautrötungen oder Quaddeln sind gleich – und stören, denn nur allzu gern möchte man die juckenden Stellen schnellstmöglich durch Kratzen beseitigen.
Akute und chronische Nesselsucht
„Bei einer akuten Urtikaria hat man immer einen Auslöser“, sagt Dirschka. Dazu gehören unter anderem Infekte, bestimmte Nahrungsmittel oder Medikamente. „Eine typische Konstellation wäre, wenn man auf der Kirmes ein paar Süßigkeiten isst, noch ein Glas Rotwein trinkt und hinterher eine Aspirin gegen die drohenden Kopfschmerzen nimmt. Dann kann es passieren, dass Sie am nächsten Tag aufwachen und Quaddeln haben“, erklärt der Experte. Das sei dann spätestens nach ein paar Tagen wieder weg.
Sollte die Nesselsucht über einen längeren Zeitraum anhalten, obwohl man die potenziellen Auslöser nicht mehr zu sich nimmt, spricht man von einer chronischen Urtikaria. Auch hier gibt es laut Dirschka eine Reihe von Auslösern, die dafür verantwortlich sein können und die man untersuchen muss. Zu prüfen sind mögliche Infektionen an Hals, Lunge oder Darm. Eine Vielzahl von Medikamenten könne ebenfalls eine Urtikaria auslösen, meint Dirschka – beispielsweise Herz-Kreislauf-Medikamente, sogenannte ACE-Hemmer, die man bei Blutdruck einsetzt, gehören zu den „Top-Auslösern“. Ein dritter Punkt können Allergien auf bestimmte Nahrungsmittelproteine sein. „Wenn man das dann wieder zu sich nimmt, wird die Urtikaria wieder angestoßen.“
Bei beiden Formen, der akuten und der chronischen Nesselsucht, ist die Entstehung dieselbe. Dirschka erklärt: „Durch die jeweiligen Trigger werden Mastzellen in der Haut zerstört. Dadurch wird Histamin freigesetzt, welches die Gefäße erweitert und so den Juckreiz auslöst.“
Viele Ursachen nicht erkennbar
Allerdings sei bei der chronischen Form der Nesselsucht nur zu 30 Prozent ein Auslöser identifizierbar. „Bei 70 Prozent findet man bei der Untersuchung keinen“, sagt Dirschka. Idiopathisch nenne man dies – ohne erkennbare Ursache. „Da muss irgendwo mal ein Anstoß gewesen sein, dass das Immunsystem der Haut nicht richtig funktioniert.“ Während bei den bekannten Auslösern in der Regel die Einnahme eines Antiallergikums hilft, sieht die Therapie bei den idiopathischen Formen etwas anders aus. Hier, so Dirschka, gibt man dem Patienten über mehrere Wochen ein Antiallergikum in der drei- oder vierfachen Dosierung als bei einem Heuschnupfen und macht dann einen Auslassversuch, bei dem das Therapeutikum versuchsweise weggelassen wird. „Manchmal hat der Körper die Immunreaktion dann wieder vergessen und alles ist gut.“ Sollte das keinen Effekt haben, so wird der Antikörper Omalizumab (Handelsname Xolair) eingesetzt. Dieser wird über einen Zeitraum von sechs Monaten alle vier Wochen gespritzt. „Das hemmt das Immunglobulin E, das bei der Entstehung von Urtikaria eine Rolle spielt“, erklärt der Hautarzt. Das Mittel sei zugelassen für die chronische Urtikaria, die nicht auf die Hochdosis-Antiallergika-Behandlung anspricht. Nur bei einem kleinen Teil der Patienten müsste das Mittel länger gegeben werden.
Beim Hautarzt checken lassen
Die Auslöser sind also nicht immer leicht zu identifizieren. Im Sommer können starke Sonneneinstrahlung und Hitze die Symptome hervorrufen. Doch auch das andere Wetterextrem kann Quaddeln auslösen. Niedrige Temperaturen, kalte Winde etc. vertragen einige Menschen schlecht. Selbst der Gang durch die Stadt bei Kälte oder Sport im Freien können Reaktionen auslösen. Der Juckreiz, der sich dann breitmacht, wird laut Dirschka eher durch Reiben als durch Kratzen versucht, zu lindern.
Auch etwas ungewöhnlicher anmutende Faktoren können eine Urtikaria auslösen: Stress, Druck, Vibration. Dirschka kennt einige Fälle. „Eine Stewardess hat eine Druckurtikaria. Wenn sie auf hohen engen Schuhen oben in der Luft ist, bekommt sie einen Ausschlag. Ebenso gibt es Straßenbauarbeiter, die eine Hautreaktion auf Vibration zeigen. Die können dann jede Veränderung an der Haut gut vertragen, aber keinen Schlagbohrer in die Hand nehmen.“ Denen könne man nicht sagen, sie sollen ihren Beruf aufgeben. Dirschka rät zum Gang zum Arzt und einer Therapie.
Sollte die Nesselsucht sehr stark verlaufen und sich Schwellungen im Gesicht und an den Lippen breitmachen, dann setze man im Notfall Cortison ein. Lebensgefährlich könne es werden, wenn ein Kloßgefühl und Schleimhautschwellungen im Gesicht und Halsbereich auftreten. „Das ist aber sehr selten“, sagt Dirschka.