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Kopfschmerz, lass nach – was bei Migräne und Co. wirklich hilft

Group 11 10 min Lesezeit   |   31.01.2024

Bitte beachten Sie, dass sich die Aktualität der Inhalte immer auf das Veröffentlichungsdatum bezieht.

Group 20
VIACTIV Krankenkasse

Kopfschmerz, lass nach – was bei Migräne und Co. wirklich hilft

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Kopfschmerzen sind nicht nur ein Symptom, sondern eine Krankheit selbst: Rund 47 Millionen Deutsche leiden darunter – manche nur ab und zu, andere oft und regelmäßig. Die gute Nachricht: Es gibt für jeden Schmerz eine erfolgsversprechende Therapie und effektive Präventionsstrategien. Viele Patienten gehen aber erst mit großem Leidensdruck zum Arzt und erhalten deswegen spät eine Diagnose.

Kopfschmerzen können leise und dumpf sein, sie können drücken und pochen, laut und grell kreischend. Sie können im Hinterkopf quälen oder in der Stirn, nur hinter einem Auge oder alles übermannend. Kopfschmerzen sind facettenreich und ihre Ursachen vielfältig. 57,5 Prozent der Frauen und 44,4 Prozent der Männer in Deutschland berichten im Rahmen der Krankheitslast-Studie BURDEN 20201, binnen eines Jahres mindestens einmal von Kopfschmerzen betroffen zu sein. Die gute Nachricht: Mit der richtigen Diagnose können Experten die passende, erfolgversprechende Therapie finden.

Kopfschmerzen: Migräne, Spannungs- oder Clusterkopfschmerzen?

Es gibt verschiedene Arten von Kopfschmerzen ohne bestimmte Ursache. Wenn sie nicht von einem Schnupfen oder einer anderen Grunderkrankung herrühren, werden sie als primäre Kopfschmerzen bezeichnet: Die Kopfschmerzen selbst stellen dann die Erkrankung dar. Zwar sind diese aus medizinischer Sicht in der Regel nicht gefährlich, sie beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen aber oft erheblich.

Der Leidensdruck ist in der Regel bereits groß, wenn sich Kopfschmerzgeplagte an Hausärzte, Neurologen oder spezialisierte Schmerzmediziner wenden. Professorin Dagny Holle-Lee ist Kopfschmerzexpertin und leitet das Westdeutsche Kopfschmerzzentrum am Universitätsklinikum Essen: „Die Betroffenen suchen ärztliche Hilfe, wenn der Kopfschmerz sich nicht mehr mit einer Kopfschmerztablette behandeln lässt und in der Bewältigung des Alltags einschränkt“, erklärt sie. Also etwa, wenn allein die Angst vor dem Schmerz dazu führt, dass man Termine absagt oder Feiern verpasst, wenn man befürchtet, wegen Schmerzen bei der Arbeit zu fehlen, oder Schwierigkeiten hat, die Kinder zu versorgen.

Der Weg zur richtigen Diagnose

Im Vordergrund der Behandlung steht zunächst die Anamnese, also der genaue Blick in die Krankengeschichte des Patienten. Holle-Lee bekräftigt: „Wenn die Diagnose falsch gestellt wird, ist die Behandlung oft auch nicht richtig, da unterschiedliche Kopfschmerzarten auch vollkommen unterschiedlich behandelt werden. Dadurch entsteht sehr viel weiterer Leidensdruck. Bei richtiger Diagnose aber funktioniert die Therapie meistens sehr gut.

Die Anamnese startet Holle-Lee mit der Beschreibung der Situation, der Historie und der Art der Schmerzen: „Wie lang dauert der Kopfschmerz, wann tritt er auf, wo sitzt er, wie stark ist er? Gibt es Begleit-Symptome wie Licht- oder Lärmempfindlichkeit oder tränt das Auge dabei?“ So könne man in den meisten Fällen zuverlässig feststellen, um was für einen Kopfschmerz es sich handelt und welches die beste Therapie ist.

Spannungskopfschmerz Migräne Clusterkopfschmerz
Häufigkeit 60 – 70 % 6 – 10 % > 1 %
Geschlecht Frauen 70 – 80 % Frauen 60 – 70 % Männer 80 – 90 %
Lokalisation meist beidseitig einseitig immer einseitig
Charakter stetig, dumpf, drückend intensiv, pulsierend sehr stark, stechend
Dauer 30 Minuten – 7 Tage 4 – 72 Stunden 15 Minuten – 3 Stunden
körperliche Beschwerden keine Übelkeit lichtscheu, ggf. Übelkeit und/oder Aura Bewegungsdrang, laufende Nase
Häufigkeit variabel 1 – 10 Mal pro Monat phasenweise

Quelle: https://www.rueckenzentrum-diez.de/content/diagnosen/schmerzen/kopfschmerzen-migraene/

Spannungskopfschmerzen: Sie treffen jeden mal

Die klassischen Kopfschmerzen kennt fast jeder Mensch: Sie sind leicht bis mittelstark und meist auf beiden Kopfseiten spürbar. Sie dauern eine halbe Stunde bis zu einigen Tagen an und hindern meist nicht am normalen Tagesablauf, sind nicht von Übelkeit begleitet und werden bei körperlicher Tätigkeit nicht stärker. 10,3 Prozent der Frauen und 6,5 Prozent der Männer sind hin und wieder von Spannungskopfschmerzen betroffen.2

Die Mechanismen für die Entstehung des Schmerzes sind noch weitestgehend unerforscht. Auslöser können Stress und zu wenig Schlaf sein, aber auch Bewegungsmangel, zu wenig Nahrung oder zu wenig Flüssigkeitszufuhr.3 Die Annahme vieler Patienten, der Schmerz sei auf Verspannungen der Nacken- oder Schultermuskulatur zurückzuführen, konnte wissenschaftlich bislang nicht bestätigt werden.

Treten die Spannungskopfschmerzen chronisch auf – also an mehr als 15 Tagen im Monat über drei Monate hinweg – gehen Wissenschaftler davon aus, dass die Erregbarkeitsschwelle der Nervenfasern für Schmerzempfindungen abgesunken ist. Das bedeutet, dass Reize, die eigentlich nicht schmerzhaft sind, fälschlicherweise als Schmerz wahrgenommen werden. Dieses Phänomen bezeichnet man als „Sensibilisierung“ von Schmerzfasern.4

Migräne wird zum Damoklesschwert

Migräne ist dadurch gekennzeichnet, dass die Schmerzen in episodischen Attacken von mehreren Stunden oder Tagen auftreten und dabei pulsieren, pochen und meist einseitig auftreten. Sie verstärken sich bei körperlicher Aktivität, sind meist begleitet von Übelkeit und Erbrechen, und die Betroffenen sind überempfindlich gegen Licht und Lärm. „Migränepatienten stehen ständig unter dem Damoklesschwert, von der nächsten Migräneattacke heimgesucht zu werden“, erklärt Professor Hartmut Göbel, Chefarzt der Schmerzklinik Kiel und Leiter des Studienganges Migräne und Kopfschmerzmedizin an der Universität Kiel. Langfristige Planungen sind für sie nur eingeschränkt möglich, da sie jederzeit damit rechnen müssen, für mehrere Tage sowohl im Arbeitsleben als auch im Freizeitleben auszufallen.“

Eine besondere Form, wie sich Migräne-Attacken ankündigen können, ist die Aura. Etwa 15 bis 30 Prozent aller Migränebetroffenen leiden unter neurologischen Reiz- oder Ausfallsymptomen unmittelbar vor einem Anfall, selten auch währenddessen.5 Sie berichten beispielsweise über das Flimmerskotom, bei dem sich im Gesichtsfeld farbige, gezackte Linien langsam ausbreiten und etwa eine halbe Stunde später wieder zurückbilden. Manchmal ist die Aura begleitet von Wortfindungsstörungen, Kribbeln in Armen und Beinen oder in seltenen Fällen auch von Lähmungen.

Wer einen Migräneanfall hat, muss sich meist in einen ruhigen und abgedunkelten Raum zurückziehen, weil Licht, Geräusche und Bewegung die Beschwerden verstärken. 100.000 Menschen liegen seinen Schätzungen zufolge jeden Tag wegen Migräne im Bett, das belastet das Familienleben und zieht nicht selten Ängste und Hoffnungslosigkeit nach sich. Chronische Kopfschmerzerkrankungen gehen sehr häufig mit psychischen Begleiterkrankungen einher, da Schmerzen eine Depression begünstigen können.

Auslöser und Behandlung der Migräne

Schätzungen nach leiden 18 Millionen Menschen in Deutschland an Migräne. Bei der Entstehung spielt die Genetik eine Rolle, mehr als 70 Prozent der Betroffenen haben ebenfalls betroffene nahe Familienangehörige.6 Und obwohl die genetische Veranlagung weitergegeben wird, ist es unter anderem von Umweltfaktoren abhängig, ob, wie stark und wie häufig die Migräne auftritt. Auslöser können sehr unterschiedlich sein, zum Beispiel:

  • Stress
  • Schlafstörungen oder unregelmäßige Schlafenszeiten
  • hormonelle Schwankungen
  • Unterzuckerung oder ein stark schwankender Blutzuckerspiegel
  • ungewohnte körperliche Belastungen oder Geruchs-, Lärm- oder Flackerlichtbelästigungen

Schokolade als Trigger – das war einmal

Der Annahme, dass bestimmte Dinge wie etwa gewisse Gerüche – oder auch der Konsum von Schokolade – die Migräne auslösen könnten und Trigger seien, widerspricht Dagny Holle-Lee: „Das Triggermodell ist mittlerweile überholt. Man weiß: Viele der Reize, die Patienten als extrem störend wahrnehmen, kennzeichnen bereits eine frühe Phase der Migräne.“ Das bedeutet: Vor den eigentlichen Kopfschmerzen kommt eine Vorläufer-Phase – etwa der Heißhunger auf Schokolade. Weil im Anschluss dann die Kopfschmerzen kommen, deuten viele die Schokolade als Auslöser. „In Wahrheit aber ist es vollkommen egal, ob man die Schokolade isst oder nicht. Die Migräne läuft schon.“

Im Umkehrschluss bedeutet das: Reize – wie bestimmte Gerüche – zu vermeiden, ist nicht nötig. „Wenn sich ein Patient nicht bereits in einer Migräneattacke befindet, macht dieser Geruch ihm gar nichts.” Dagny Holle-Lee rät aber, die Warnsignale richtig deuten zu lernen. So kann man sie nutzen, um auf die Bremse zu treten und sich Reaktionszeit zu verschaffen. „Das ist besser, als ins offene Messer zu laufen und gar nicht zu verstehen, was da passiert.“

Cluster-Kopfschmerzen: Heftige Episoden

Eine im Vergleich zur Migräne seltene Form des Kopfschmerzes ist der Cluster-Kopfschmerz, auch trigeminoautonomer Kopfschmerz genannt. Er betrifft immerhin rund 82.000 Menschen in Deutschland. Die Schmerzen haben eine vernichtend starke Intensität. Typische Begleitsymptome sind Augenrötung, Lidschwellung, Verengung der Pupille, Tränen laufen, verstopfte oder laufende Nase.

Weil es meist zu einer episodischen Häufung der Beschwerden zu einer bestimmten Zeit kommt, spricht man von Cluster (engl. Cluster = Häufung). Patienten mit dieser Form der Kopfschmerzen sind mitunter Monate oder mehrere Jahre beschwerdefrei, bevor sie wieder über Wochen immer wieder von Cluster-Kopfschmerzen geplagt werden. Die Ursachen für die Pein sind noch nicht im Detail bekannt, auch eine genetische Häufung wie bei der Migräne gibt es nicht.7

Bei Cluster-Kopfschmerzen ist die medikamentöse Vorbeugung entscheidend. Rezeptfreie Schmerzmittel sind nutzlos. Zur Attackentherapie können Triptane oder Sauerstoff wirksam sein.8 „Das Tückische an Cluster-Kopfschmerzen ist: Sie sind selten und wenig bekannt. Daher wird die Diagnose oft nach vielen Jahren des Leidens gestellt. Es ist wichtig, dem Arzt mit Worten die eigenen Schmerzen genau zu vermitteln, damit schnell und effektiv geholfen werden kann“, rät Göbel.

Therapie von Kopfschmerzen – neue Wege?

In der Therapie von primären Kopfschmerzen wie Spannungskopfschmerzen, Migräne oder Cluster-Kopfschmerzen spielt die Einnahme von Schmerzmitteln eine wesentliche Rolle. Sind die Schmerzen häufig, können je nach Diagnose spezielle Medikamente aus sehr unterschiedlichen Wirkstoffgruppen zur Vorbeugung eingesetzt werden.

In den letzten Jahren konnte durch die Einführung der monoklonalen Antikörper gegen CGRP eine entscheidende Verbesserung der Migränevorbeugung erzielt werden. CGRP ist ein wichtiger Botenstoff, der bei der Migräne eine zentrale Rolle einnimmt. „Monoklonale Antikörper stellen eine Erweiterung der therapeutischen Optionen in der Migräneprophylaxe dar“, erklärt Göbel. „Es ist mittlerweile durch jahrzehntelange Forschung gelungen, spezifische Stoffe zu entwickeln, die die Wirkung von CGRP im Rahmen der Migräne hemmen. Sie zeigen in der praktischen Anwendung eine hohe Wirksamkeit.“ Weitere Substanzen seien für die Attackentherapie in der Entwicklung, bereits zugelassen oder stehen kurz vor der Verfügbarkeit.

Wer regelmäßig von Kopfschmerzen betroffen ist, sollte die Ursache der Schmerzen unbedingt vom Arzt oder der Ärztin checken lassen – und auch eine nicht gut funktionierende Therapie bedarf eines zweiten Blickes: Zwei von drei Migränepatienten nehmen zum Beispiel eine zu geringe Dosis ein.9 Dann können die Mittel nicht wie gewünscht wirken. Andersherum kann die Selbstmedikation auch zum gegenteiligen Effekt führen: Bei zu häufigem Gebrauch von Tabletten kann ein sogenannter Medikamentenübergebrauchs-Kopfschmerz entstehen. In Deutschland müssen rund 160.000 Menschen jährlich deswegen stationär behandelt werden. „Kopfschmerzen können sehr komplexe Erkrankungen sein“, resümiert Göbel. „Sie sollten ärztlich diagnostisch eingeordnet werden und es sollte ein effektives Therapiekonzept aufgebaut werden. Hat man noch keine Klarheit zur Diagnose und ist die Behandlung nicht strukturiert geplant, sollte dringend eine ärztliche Diagnostik und Behandlung eingeleitet werden.“

Prävention von Kopfschmerzen: Sport und Erziehung

In den Schmerzkliniken liegt der Fokus auf der Kombination aus Behandlung und Prävention. Studien zeigen, dass regelmäßiger, moderater Ausdauersport wie Walken, Joggen oder Radfahren die Häufigkeit der Schmerztage sowohl bei Migräne als auch bei Spannungskopfschmerzen deutlich verringern kann. 10 Auch Methoden wie Yoga, Meditation, Akupunktur oder Progressive Muskelentspannung können helfen, Migräne-Attacken zu verhindern.

Wichtig ist vor allem der edukative Teil der Therapie, sagt Schmerzexpertin Holle-Lee: „Was den Patienten oft am meisten fehlt, ist Wissen um ihren Kopfschmerz. Wer Kontrolle über seine Erkrankung bekommen möchten, muss sich selbst gut kennen, man muss zum Experten oder zur Expertin der eigenen Erkrankung werden. Nur dann kann man zum richtigen Zeitpunkt handeln.“ Ein Kopfschmerztagebuch etwa oder entsprechende Apps können gute Begleiter auf diesem Weg sein.

Immer größere Aufmerksamkeit erhalten in der Therapie auch Biofeedbackverfahren, in denen unbewusste Körperfunktionen bewusst gemacht werden.11 Die zunehmende Kompetenz sichert die Kontrolle darüber. Körperliche Prozesse werden dafür kontinuierlich mit einem akustischen oder visuellen Signal an den Patienten rückgemeldet. Dieser lernt so, sein Erregungsniveau zu kontrollieren und in die gewünschte Richtung zu verändern. Jedoch ist die Behandlung langwierig, bis ein Effekt spürbar wird.

Fazit

Wer seine Kopfschmerzen als Belastung wahrnimmt, sollte darüber unbedingt mit dem Hausarzt oder der Hausärztin oder aber Expert:innen beispielsweise einer Schmerzambulanz sprechen. Gemeinsam können einerseits Ursachen und Auslöser gesucht werden, vor allem aber ein Fokus auf die richtige Behandlung gelegt werden. Kopfschmerzexperten wie Dagny Holle-Lee und Hartmut Göbel haben die Erfahrung gemacht, dass eine Therapie in den allermeisten Fällen sehr effektiv ist und oft die Lebensqualität der Betroffenen erheblich verbessert werden kann. Wichtig ist, dass Betroffene den Willen haben, aktiv etwas für ihr Wohlbefinden zu tun: Denn eine erfolgreiche Therapie besteht nicht ausschließlich aus Medikamenten, sondern geht mit Veränderungen des Lebenswandels einher: mit Bewegung, Entspannung und dem Wunsch, auf sich zu achten.

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