Es ist erstaunlich, dass das Gehirn aus all den unterschiedlichen Schallwellen, die uns beim Musikhören entgegenschwingen, tiefe Emotionen in uns erzeugen kann: Traurige Liebeslieder bei denen Tränen weggewischt werden müssen oder harmonischer Gute-Laune-Pop, mit dem die Laufstrecke zum Kinderspiel wird.
Musik wird im Gehirn zum Glückslieferanten
Wie Musik diese verschiedenen Reaktionen ganz konkret hervorruft, ist zwar noch immer weitgehend ein Rätsel. Bewiesen ist jedoch, dass Musik viele verschiedene Zentren des Gehirns aktiviert und Verbindungen zwischen ihnen entstehen lässt. Gefällt die Musik besonders gut, werden beispielsweise dieselben Gehirnzentren wie beim Essen oder Sex aktiviert. Auch das häufig als Glückshormon bezeichnete Dopamin wird beim Hören von Musik vermehrt ausgeschüttet. Nähert sich ein Musikstück dem für den Hörer emotionalen Höhepunkt, beginnt das Gehirn bereits als Erwartungsreaktion kurz davor mit der Dopaminausschüttung. All dies konnte der kanadische Neurowissenschaftler Robert Zatorre mit vier Kolleginnen und Kollegen 2011 zeigen. Doch was heißt das eigentlich, das Musik „gefällt“? Von was hängt es ab, dass wir bestimmte Musik mögen und andere nicht?
Wir mögen Musik, die wir als Ungeborene gehört haben
Die frühsten Erfahrungen, die wir mit Musik machen, prägen einen gewissen Anteil davon, ob wir bestimmte Musik später eher mögen oder nicht. Diese Erfahrungen beginnen bereits bevor wir geboren werden. Ein eindrucksvolles Experiment der britischen Psychologin Alexandra Lamont von der britischen Keele University hat 2003 sogar gezeigt, dass bestimmte Lieder, die von Müttern während der Schwangerschaft gehört wurden, von den Kindern später gegenüber ähnlichen Stücken präferiert werden. Einige Neurowissenschaftler vermuten, dass anschließend im Kleinkindalter die beruhigenden Stimmen der Eltern und der einfache Stil von Kinderliedern die Musikpräferenz für das Erwachsenenalter ebenfalls prägen. Wer entsprechend als Kind viel Musik mit disharmonischen Tönen gehört hat, bevorzugt derartige Musik auch später gegenüber harmonischer. Lediglich der Anspruch an Komplexität und Variation wird während des Älterwerdens und der zunehmenden Gewöhnung immer größer.
Musik weckt Erinnerungen für Alzheimer-Patienten
Manchmal wünschen wir uns aber auch das exakte Gegenteil von komplexer Musik. Wer nach Entspannung sucht, hat für sich ganz persönlich mit den Jahren häufig bereits bestimmte Stücke oder ganze Genres entdeckt, die ihn spürbar beruhigen sowie Aufregung und den Puls senken. Tatsächlich kann subjektiv als entspannend wahrgenommene Musik den Anteil des Stresshormons Cortisol in unserem Körper senken. Dies wurde unter anderem von Forschern der Universität Leipzig und München herausgefunden. Der deutsche Arzt und Musiker Eckart Altenmüller beschreibt in seinen Publikationen zudem anschaulich, wie Musik bestimmte Arten der Schmerzempfindungen in einem gewissen Ausmaß unterdrücken oder überspielen kann, da sie im selben Bereich des Gehirns entstehen.
Musik kann jedoch noch viel mehr leisten: Krankheiten, wie Alzheimer, die das Langzeitgedächtnis massiv beeinflussen, betreffen den Teil, der für die Erinnerung an Musik zuständig ist, wesentlich geringer. Das zeigen Ergebnisse von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. Mit Hilfe von Musik können Betroffene so in einigen Fällen wieder an mit der Musik verbundene Erinnerungen und Emotionen anknüpfen.
Diesen massiven Einfluss der Musik auf so viele Bereiche unseres Lebens erklären sich einige Neurobiologen wie Mark Chanzini damit, dass sie uns in unterschiedlichen Formen seit zahlreichen verschiedenen Evolutionsstufen begleitet hat und die vielfältige Ansprache auf sie entsprechend tief verankert ist: Erste Rhythmen des natürlichen Takts des gehenden Menschen über das richtige Einschätzen essenzieller Naturgeräusche und die Weiterentwicklung verschiedenen Sprachen, die akustisch Inhalt und Emotionen vermitteln bis zur Musik, wie wir sie heute kennen. Richtig durchschaut haben wir die innersten Funktionsweisen der Musik auf uns Menschen noch nicht, doch dass wir uns in allen Lebenslagen auf ihre wunderbare Wirkung verlassen können, ist doch eigentlich das Wichtigste.