Es sind Medikamente ohne Wirkstoffe – und doch können sie helfen. Wie Placebos wirken, und wie sie auch bei der Suche nach richtigen Medikamenten zum Einsatz kommen.
Wie kann das sein: Ein Patient bekommt ein Medikament oder eine Spritze ohne irgendeine Spur von Wirkstoff – und er wird gesund davon? Getestet wurde diese Methode zum Beispiel am Neurowissenschaftlichen Institut der Universität Cincinnati (USA) bei Parkinson-Patienten. Bei ihnen ließ das typische Zittern nach Einnahme der Scheinmedikamente nach und die motorischen Funktionen verbesserten sich. Und das ganz ohne entsprechende Wirkstoffe. In anderen Versuchen fand man heraus, dass Salben ohne Wirkstoffe Schmerzen lindern oder Hautirritationen verschwinden lassen können. Und chronische Schmerzpatienten hatten nach Operationen, bei denen nur oberflächlich die Haut aufgeschnitten wurde, ohne die eigentliche Operation durchzuführen, anschließend weniger Probleme als zuvor. Wenn sie fest davon ausgingen, dass die OP wie geplant stattgefunden hat.
Warum Placebo überhaupt wirken kann
Der Grund, warum so etwas funktionieren kann, ist der sogenannte Placebo-Effekt. Placebo ist ein aus dem Lateinischen übernommenes Wort, das übersetzt „ich werde gefallen“ heißt. Im übertragenen Sinn könnte man also sagen: Ein Placebo ist ein Medikament, dessen Wirkung dem Patienten gefallen wird, weil es ihm zur Genesung verhilft.
Entdeckt wurde dieser Effekt schon im alten Griechenland, die Behandlung damit zog sich durch die Jahrtausende und blieb bis heute erhalten. Wissenschaftlich untermauert wurde die heilende Wirkung aber erst im Zweiten Weltkrieg. Damals spritzte eine Krankenschwester einem Verwundeten im Lazarett eine Kochsalzlösung, weil das betäubende Morphin gegen die starken Schmerzen der Kriegsverwundeten ausgegangen war. Der Patient dachte, er bekäme Morphium – und spürte Linderung. Der anwesende Arzt beobachtete diesen Prozess und führte danach gezielte Studien durch.
Placebo als Grundlage für Impfungen
Diese Studien des Militärarztes Henry Beecher sind übrigens bis heute eine wichtige Grundlage für die Medikamentenforschung. Wird ein neues Medikament entwickelt, wird es in einer sogenannten Doppelblindstudie getestet. Das bedeutet, dass Studienteilnehmer in zwei Gruppen eingeteilt werden. Die eine Gruppe bekommt das echte Medikament – wie zum Beispiel den Covid-19-Impfstoff, der jüngst entwickelt wurde – verabreicht. Die andere Gruppe bekommt ein Placebo. Doppelblindstudie heißt das Ganze, weil auch die verabreichenden Ärzte nicht wissen, welcher Proband welches Medikament bekommt. Am Ende wird das neue Medikament erst zugelassen, wenn es an allen Teilnehmern der Gruppe mit dem echten Medikament eine deutlich bessere Wirkung zeigt als das Placebo an den Probanden aus der Kontrollgruppe. Denn natürlich kann eine Impfung mit einem wirkstofflosen Scheinmedikament auch wirken. Warum aber ist das so?
Was die Psyche alles steuert
Eine wichtige Rolle spielt die Psyche – unser Unterbewusstsein ist zu enormen Leistungen fähig. Im Zusammenhang mit Gedanken und Gefühlen scheint das logisch: Wer sich jeden Tag gedanklich selbst einredet, dass er mies drauf ist, dass es ein mieser Tag wird und dass das Leben mies ist, empfindet irgendwann auch so und nimmt entsprechend die Ereignisse um sich herum wie durch einen Negativfilter wahr, der seine Meinung bestätigt und die negativen Gefühle verstärkt. Wer es genau andersherum macht, freut sich überwiegend über das schöne Leben, fühlt sich gut und kann Tief- und Rückschläge gut verarbeiten. In der Psychologie heißt das self-fulfilling prophecy – selbsterfüllende Prophezeiung. Ein wichtiger Ansatz für Therapeuten, denn tatsächlich lässt sich die Prophezeiung umkehren, indem man dem Patienten beibringt, in die positive Richtung zu denken.
Bei den Medikamenten ist das nicht anders: Wer von der positiven Wirkung einer Medizin auf seinen Körper und seine Gesundheit überzeugt ist, bei dem kann genau diese Wirkung einsetzen. Neurobiologen gehen davon aus, dass dadurch die Selbstheilungskräfte aktiviert werden. Die Fähigkeit des Körpers, Krankheiten zu kurieren.
So hilft der Körper sich selbst
Dass der Körper diese Fähigkeiten besitzt, liegt auf der Hand. Die Haut zum Beispiel ist in der Lage, Wunden heilen zu lassen. Gebrochene Knochen können wieder zusammenwachsen, Hautirritationen von selbst verschwinden. Das sind normale Prozesse ohne jeglichen Hokuspokus und theoretisch auf viele Krankheiten übertragbar. Praktisch ist der Körper mit manchen Krankheiten allerdings überfordert und braucht Unterstützung. Diese Unterstützung kann durch Medikamente lokal direkt wirken – wie zum Beispiel eine Salbe, die die Wundheilung fördert. Sie kann aber auch lokal wirken und zusätzlich auch noch die Selbstheilungskräfte aktivieren. Das Deutsche Ärzteblatt schreibt dazu: „Die ärztliche Kunst besteht darin, den Prozess der Selbstheilung zu unterstützen – auf körperlicher Ebene ebenso wie auf psychischer Ebene. Denn beide sind untrennbar miteinander verbunden.“
Und genau darum ist es auch möglich, diese Selbstheilungskräfte in einem sehr hohen Maß zu aktivieren, indem man den Körper nur scheinbar unterstützt. In diesen Fällen schafft er selbst, was ohne den Glauben an Hilfe von außen nicht möglich war.