Vergleichsportale im Internet stellen häufig fest, dass gesetzlich geregelte Leistungen bei allen Krankenkassen gleich sind. Das stimmt weder in der Theorie noch in der Praxis. Denn in der dargebotenen Qualität der Leistungen gibt es deutliche Unterschiede.
Die Versorgung mit Hilfsmitteln ist eine gesetzlich geregelte Leistung. Die entsprechenden Paragraphen, Richtlinien und das Hilfsmittelverzeichnis gelten für alle Krankenkassen. Bei der Vertragsgestaltung zwischen den Krankenkassen und den Sanitätshäusern ist es mit der Gemeinsamkeit aber vorbei, hier verhandelt jede Krankenkasse eigene Verträge. Sowohl der Vertragspreis als auch die Qualität der Leistung unterscheiden sich teilweise deutlich. Denn es macht einen Unterschied, ob die Rollstuhlreparatur bei einem Platten vom lokalen Sanitätshaus erfolgen kann, oder ob diese vom zentralen Vertragspartner mehrere Hundert Kilometer entfernt erfolgt. Es macht einen Unterschied, ob die Ansprechpartner der Krankenkasse vor Ort sind und die Versorgungssituation vor Ort kennen. Oder ob die Betreuung durch eine Zentrale erfolgt. Es macht einen Unterschied, ob sich die Krankenkasse für die qualitativ gute, individuelle Versorgung einsetzt, oder ob man Spielball in einem „kostenoptimierten Billigstversorgungssystem“ ist, in dem eine schlechte Qualität hingenommen wird.
Klare Vertragskonditionen
Die VIACTIV verhandelt die Vertragskonditionen der Hilfsmittelversorgung seit Jahren einvernehmlich mit den Vertragspartnern. An Ausschreibungen, bei denen der billigste Bieter den Zuschlag erhält oder sogenannten Openhouse-Verträgen, bei denen die Krankenkassen die Preise vorgeben, haben wir uns nie beteiligt.
Die Pressemeldungen über schlechte Qualität bei Windeln, horrende Aufzahlungen neben der gesetzlichen Zuzahlung oder schlechte telefonische Erreichbarkeit haben schließlich den Gesetzgeber auf den Plan gerufen. Das Verbot von Ausschreibungen und Openhouse-Verträgen, Verbesserungen im Hilfsmittelverzeichnis und die Meldepflicht von Aufzahlungen waren die Folgen. Diese Maßnahmen sind überfällig gewesen, reichen aus unserer Sicht aber nicht aus.
Es ist Aufgabe einer gesetzlichen Krankenkasse, ihre Kunden „ausreichend und zweckmäßig“ – so die Formulierung im Gesetz – zu versorgen. Grundsätzlich sollen die Leistungen so vertraglich verhandelt werden, dass eine aufpreisfreie Versorgung sichergestellt ist. Qualität kostet aber Geld. Das ist bei Hilfsmitteln nicht anders als bei privaten Anschaffungen. Im privaten Bereich werden die meisten misstrauisch, wenn etwas „zu billig“ ist. Kauft man das Produkt dann trotzdem, ist man nicht überrascht, wenn die Qualität schlecht ist. Kauft eine Krankenkasse ein Hilfsmittel zu billig ein, trifft die schlechte Qualität die Kunden.
Die betroffenen Kunden müssten dann eigentlich konsequent durch ihre freie Kassenwahl die schlecht leistende Krankenkasse abstrafen und zu einer Krankenkasse mit guter Qualität wechseln. Da es aber keine Vergleichsportale gibt, in denen die dargebotene Qualität der einzelnen Krankenkassen untersucht und bewertet wird – siehe oben – steht der Kunde ohne Informationen da.
Teufelskreis Informationssuche
Hilfreich können unabhängige Untersuchungen zur Servicequalität sein. In der Kundenbefragung der Marktforscher von Service Value schneidet die VIACTIV mit dem zweiten Platz im Gesamtranking und dem ersten Platz in der Kategorie Kundenservice sehr gut ab.
Wir untersuchen freiwillig die Qualität der Hilfsmittelversorgung und befragen monatlich rund 250 Versicherte, die eine Hilfsmittelversorgung erhalten haben. Wichtige Fragestellungen sind, ob die vertraglichen Leistungen auch so umgesetzt werden, wie es vorgesehen ist, ob unsere Versicherten freundlich und kompetent beraten wurden und ob sie mit der Versorgung zufrieden sind.
Anmerkung: Das Ergebnis in Dezember 2019 wurden erst im Januar 2020 dargestellt. Die Zahl für Mai 2020 ist noch nicht vollständig.
Da es viele Punkte gibt, von denen die Qualität einer Hilfsversorgung abhängt, fragen wir auch genau nach der Qualität des Produktes selbst, nach der Geschwindigkeit der Belieferung, nach der Einweisung in die Handhabung, nach Terminabsprache, nach der Qualität der Beratung durch das Sanitätshaus, nach der Qualität der Beratung durch unsere Hilfsmittelberater, Freundlichkeit und Kompetenz. Erst wenn man genau fragt, erhält man Hinweise darauf, was im Einzelfall als gut oder schlecht empfunden wurde. Und erst dann kann man auch gezielt „die Qualität“ verbessern.
Fragenkatalog im Rahmen des Erfahrungsberichts über die Versorgung mit Hilfsmitteln
Auch frei formulierte Anmerkungen in den Befragungen bringen wertvolle Hinweise, denen wir nachgehen.
Unser Anspruch ist eine gute bis sehr gute Bewertung der Gesamtqualität. Wir wollen zufriedene Kunden. Wenn wir anhand der Fragebögen Unstimmigkeiten erkennen, ändern wir Vorgehensweisen und Abläufe solange, bis es passt. Auch Vertragspartner sind in der Regel froh, wenn Erkenntnisse vorliegen, damit Prozesse verändert werden können. Es lässt sich nur dann gezielt etwas verbessern, wenn die Verantwortlichen wissen, wo sie ansetzen müssen.
Qualität ist kein Papiertiger
Qualität in einen Vertrag „reinzuschreiben“ ist leicht. Qualität in die Versorgung zu bekommen, sich die Versorgungsabläufe anzusehen und gezielt an der Qualitätsverbesserung zu arbeiten, ist etwas ganz anderes. Es kostet Zeit und Geld. Deshalb sind wir davon überzeugt, dass gesetzliche Leistungen nicht überall gleich sind.
Autor: Christian Hüls, Bochum, 19.06.2020