90.000 Versicherte der VIACTIV Krankenkasse haben durch den Rentenkompromiss ab 2020 mehr Geld im Portemonnaie. Die Entlastung der Betriebsrentner ist ein Schritt hin zu mehr Renten-Gerechtigkeit. Sie wird aber aus dem falschen Topf finanziert.
Die VIACTIV Krankenkasse befürwortet den Koalitionskompromiss, Betriebsrentner ab 1. Januar 2020 mit einem Freibetrag zu entlasten. Für Versicherungspflichtige ist eine Freigrenze für Versorgungsbezüge und Arbeitseinkommen geregelt. Diese beträgt dieses Jahr noch 155,75 Euro. Ab 2020 gilt ein genereller Freibetrag von 159,25 Euro. Dieser ist aber nur für den Beitrag zur Krankenversicherung relevant. Für die Pflegeversicherung zählt weiterhin der volle Versichertenbeitrag. „Dieser wichtige Schritt hin zu mehr Renten-Gerechtigkeit fördert die Attraktivität der betrieblichen Altersvorsorge“, sagt Reinhard Brücker, Vorstandsvorsitzender der VIACTIV Krankenkasse. Mit dem „Gesetz zur Einführung eines Freibetrages in der gesetzlichen Krankenversicherung zur Förderung der betrieblichen Altersvorsorge“ sparen Betriebsrentner einen Teil ihrer Krankenkassenbeiträge. Erst ab Höhe des Freibetrages werden Krankenkassenbeiträge auf die Betriebsrente fällig. Zu zahlen sind der allgemeine Beitragssatz der jeweiligen Krankenkasse plus deren Zusatzbeitrag (siehe Beispielrechnung*). Bisher wurde der Kassenbeitrag auf die gesamte Betriebsrente fällig, sobald diese höher ausfiel als 155,75 Euro pro Monat. Diese „Freigrenze“ gilt nun nicht mehr.
Wer profitiert wieso bei der VIACTIV
Die VIACTIV hat ca. 138.000 Versicherte mit Versorgungsbezügen. Davon sind allerdings auch jetzt schon etwa 48.000 Versicherte beitragsfrei, weil die Freigrenze nicht überschritten wird. Von der neuen gesetzlichen Regelung profitieren rund 90.000 VIACTIV-Versicherte.
Entlastung für Rentner – Belastung für das GKV-System
Mit der sicherlich richtigen Entlastung der Betriebsrentner wird der Gesundheitsfonds um weitere 1,2 Milliarden Euro in 2020 zusätzlich belastet. Da die aus dem Gesundheitsfonds zugewiesenen Beträge der Kassenausgaben für das kommende Jahr bereits festgesetzt wurden, gehen die Mindereinnahmen im Jahr 2020 vollumfänglich zu Lasten des Gesundheitsfonds und müssen entsprechend durch Mittel der Liquiditätsreserve ausgeglichen werden. Hier wäre eine steuerfinanzierte Lösung sicherlich angebrachter gewesen. Geht es doch um mehr Gerechtigkeit in der Gesamtheit unseres Sozialsystems. Weiteres Geld, das nun in der Ausgestaltung einer gerechteren und qualitativ besseren Versorgung der GKV-Versicherten fehlt. Der Kostendruck auf die Kassen ist ohnehin bereits enorm. Bis September dieses Jahres gaben sie rund 800 Millionen Euro mehr aus als sie einnahmen.
Meldeverfahren steht noch nicht
Die Regelungen bis zum 1. Januar 2020 umzusetzen, scheint nach Ansicht von Reinhard Brücker gewagt: „Bislang fehlt es an den technischen Voraussetzungen, um das Meldeverfahren auf die neuen Erfordernisse umzustellen. Sollte es zu Verzögerungen kommen, wäre zu klären, ob Rentner Anspruch auf Verzugszinsen heben und wer diese bezahlt.“ Die Beitragsabführung aus monatlich gezahlten Versorgungsbezügen erfolgt in der Regel von den Zahlstellen. Die Zahlstellen sind gerade bei sogenannten Mehrfachbeziehern (Versicherte mit mehreren Betriebsrenten) davon abhängig, dass die Krankenkassen über das Zahlstellenmeldeverfahren eine Meldung erstellen, ob eine Beitragspflicht vorliegt. Die große Herausforderung ab 2020 wird sein, dass die Meldung dann zusätzlich die Information enthalten muss, wie hoch der beitragspflichtige Anteil nach Abzug des Freibetrags ist. Das maschinelle Meldeverfahren müsste hierfür erst von den verschiedenen Softwareentwicklern angepasst werden.
*Beispielrechnung:
421 Euro Betriebsrente abzüglich 159,25 Euro Freibetrag = 261,75 Euro
Ab dem 01.01.2020
261,75 Euro x 14,6% = 38,22 Euro
261,75 Euro x 1,2% = 3,14 Euro
=Gesamt KV-Beitrag = 41,36 Euro
Bis 31.12.2019
421,- Euro x 14,6% = 61,47 Euro
421,- Euro x 1,2% = 5,05 Euro
= = Gesamt KV-Beitrag = 66,52 Euro
Die Ersparnis ab dem 01.01.2020 wäre also 25,16 Euro KV-Beitrag. Das würde einer Entlastung von 38 Prozent entsprechen.