Die meisten Menschen haben im Laufe des Lebens irgendwann mit Schmerzen im unteren Rücken zu tun. Normalerweise treten sie plötzlich auf, sind aber harmlos und verschwinden innerhalb einiger Tage oder Wochen wieder. Das Beste, was man tun kann, ist, weiter seinem Alltag nachzugehen und so gut es geht körperlich aktiv zu bleiben. Zu viel Schonung oder gar längere Bettruhe kann die Genesung verzögern.
Kreuzschmerzen lassen sich fast nie auf eine einzelne Ursache zurückführen. Wichtig ist: Solche „unspezifischen“ Schmerzen im unteren Rücken sind nicht gefährlich. Die Schmerzen bedeuten nicht, dass der Rücken verletzt ist.
Das gilt auch für lang anhaltende oder immer wiederkehrende Kreuzschmerzen. Solche chronischen Schmerzen können jedoch zu einer erheblichen Belastung im Beruf und Alltag werden.
Bildgebende Untersuchungen, Medikamente, Spritzen und Operationen sind bei unspezifischen Rückenschmerzen kaum hilfreich, haben aber verschiedene Risiken. Fachleute sind sich deshalb einig, dass sie sehr zurückhaltend eingesetzt werden sollten.
Als Kreuz- oder Rückenschmerzen werden Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule bezeichnet – also im unteren Bereich des Rückens zwischen Hüfte und Rippenansatz. Die Schmerzen sind meist mit Muskelverspannungen, oft auch mit Bewegungseinschränkungen verbunden. Heftige Schmerzen, die aus heiterem Himmel plötzlich ins Kreuz fahren, werden auch Hexenschuss (Lumbago) genannt.
Manchmal ziehen die Schmerzen in ein oder beide Beine. Wenn sie bis über das Knie oder in den Fuß ausstrahlen, spricht man von Ischialgie oder umgangssprachlich Ischias. Die häufigste Ursache dieser „spezifischen“ Form von Rückenschmerzen ist ein Bandscheibenvorfall.
Rückenschmerzen und Schmerzen in den Beinen können zwar gleichzeitig auftreten, haben aber nicht unbedingt die gleiche Ursache. Eine Ischialgie ist dann wahrscheinlich, wenn die Schmerzen im Bein stärker sind als im Rücken, entlang einer bestimmten Nervenbahn verlaufen oder mit anderen Beschwerden wie Kribbeln oder einem Taubheitsgefühl einhergehen.
Bei den meisten Personen mit Kreuzschmerzen lässt sich keine eindeutige Ursache für die Beschwerden finden. Dann sprechen Fachleute von „unspezifischen“ Kreuzschmerzen. Sie können zum Beispiel von folgenden Faktoren beeinflusst oder ausgelöst werden:
Spezifische Ursachen für Kreuzschmerzen können folgende Erkrankungen der Wirbelsäule sein:
Dann kommen manchmal andere Behandlungen infrage als bei unspezifischen Beschwerden. Kreuzschmerzen sind aber nur selten ein Anzeichen für ernsthafte Schäden oder Erkrankungen.
Meistens klingen unspezifische Schmerzen im unteren Rücken auch ohne Behandlung innerhalb einiger Tage oder Wochen von selbst wieder ab. Viele Menschen haben immer wieder mal damit zu tun: Bei etwa einem Drittel der Betroffenen treten die Kreuzschmerzen innerhalb eines Jahres erneut auf.
Chronische, das heißt seit Monaten anhaltende Kreuzschmerzen können ganz unterschiedlich ausgeprägt sein, zum Beispiel
Wie sich akute oder chronische Kreuzschmerzen bei einem Menschen entwickeln, lässt sich kaum vorhersagen.
Beim ersten Besuch in der Hausarzt- oder Orthopädiepraxis wird die Ärztin oder der Arzt zunächst einige Fragen stellen: unter anderem, ob
Zudem fragt die Ärztin oder der Arzt nach bestimmten körperlichen und psychischen Belastungen, die ebenfalls eine Rolle spielen können.
Im Rahmen einer körperlichen Untersuchung werden zum Beispiel die Muskeln auf schmerzhafte oder verspannte Stellen abgetastet, Reflexe getestet und die Beweglichkeit geprüft. Durch die Befragung (Anamnese) und anschließende körperliche Untersuchung lässt sich ein ernsthaftes gesundheitliches Problem meistens bereits ausschließen. Dann sind keine weiteren Untersuchungen wie Röntgen, Computer- oder Kernspintomografie nötig.
Medizinische Fachgesellschaften raten sogar von bildgebenden Untersuchungen ab, wenn kein Verdacht auf eine ernsthafte Ursache besteht. Solche Untersuchungen sind bei unspezifischen Kreuzschmerzen wenig aussagekräftig. Im Röntgenbild werden auch bei vielen Menschen ohne Rückenbeschwerden Auffälligkeiten an Knochen oder Bandscheiben sichtbar. Dabei handelt es sich in der Regel um ganz normale, harmlose Verschleißerscheinungen. Studien, in denen beschwerdefreie Erwachsene mittels Kernspintomografie untersucht wurden, zeigen zum Beispiel: Etwa 30 % aller 20-Jährigen und mehr als 80 % aller 80-Jährigen haben eine vorgewölbte Bandscheibe.
Zu viel Diagnostik kann sogar schaden: Zum Beispiel, wenn bildgebende Untersuchungen einen vermeintlichen Grund für die Kreuzschmerzen zeigen, der tatsächlich gar nichts mit den Beschwerden zu tun hat. Eine solche Fehldiagnose kann zu unnötigen oder falschen Behandlungen führen und Ängste auslösen.
Wenn ein konkreter Verdacht auf eine bestimmte Ursache oder Erkrankung besteht oder die Beschwerden innerhalb von sechs Wochen nicht abklingen oder sich verschlechtern, können Untersuchungen wie Röntgen, Kernspin- oder Computertomografie (CT) sinnvoll sein.
Regelmäßige Bewegung ist die wirksamste Möglichkeit, wiederkehrenden Schmerzen im unteren Rücken vorzubeugen. Ein geeignetes Training besteht zum Beispiel aus Kräftigungs- und Stabilisierungsübungen für die Rumpfmuskulatur. Wichtig ist, dass man regelmäßig trainiert – am besten mehrmals pro Woche. Studien haben die Wirksamkeit von Übungen zur Stärkung der Muskulatur bestätigt: Sie halfen, die Häufigkeit von Rückenschmerzattacken zu halbieren.
Bei starken akuten Rückenschmerzen sollte man auf schweres Heben verzichten und beim Bücken vorsichtig sein. Wenn der Rücken heftig schmerzt, kann die sogenannte Stufenlagerung wohltuend sein: Dabei liegt man auf dem Rücken und legt die Unterschenkel auf eine Ablage, die etwa so hoch ist, dass Unter- und Oberschenkel einen 90-Grad-Winkel bilden. Wichtig ist aber, längeres Liegen zu vermeiden und so gut es geht aktiv zu bleiben. Damit ist gemeint, möglichst normal seinem Alltag nachzugehen und zum Beispiel bei der Arbeit nicht lange unbeweglich zu sitzen. Auch leichte Bewegung ist sinnvoll, zum Beispiel Spazierengehen.
Stufenlagerung
Akute Rückenschmerzen klingen fast immer von selbst wieder ab. Studien zeigen, dass dies eher schneller geht, wenn man in Bewegung bleibt, anstatt Bettruhe einzuhalten. Eine einfache Möglichkeit zur Linderung akuter Schmerzen, die sich auch in Studien bewährt hat, sind Wärmeanwendungen – zum Beispiel Wärmflaschen, Wärmepackungen oder -kissen. Entzündungshemmende Schmerzmittel wie Ibuprofen können manchmal ebenfalls helfen. Sie werden aber nur für kurze Zeit empfohlen.
Wer sehr lange oder immer wieder mit unspezifischen Kreuzschmerzen zu tun hat, ist vor allem selbst gefragt: Auch bei chronischen Schmerzen ist es am wichtigsten, körperlich aktiv zu bleiben – und sich von den Schmerzen nicht daran hindern zu lassen, Dinge zu tun, die Freude bereiten.
Viele Studien zeigen, dass Bewegung bei chronischen Kreuzschmerzen die wirksamste Behandlung ist. Je länger man inaktiv bleibt, desto eher halten die Schmerzen im unteren Rücken an. Auch Achtsamkeitstraining und Entspannungsübungen wie die Muskelentspannung nach Jacobson haben sich bei manchen Menschen als hilfreich erwiesen.
Als Bewegungstherapie eignen sich vor allem Kräftigungsübungen für die tiefe Bauch-, Rücken- und Beckenmuskulatur, in Kombination mit Dehnübungen. Pilates, Tai-Chi und Yoga enthalten viele solcher Übungen.
Darüber hinaus gibt es ein großes Angebot an sogenannten passiven Behandlungen. Dazu gehören Akupunktur, Massagen, Mobilisation oder Manipulation der Wirbelsäule, Osteopathie, Schuheinlagen, Ultraschall- und Laserbehandlungen sowie die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS). Weil Kreuzschmerzen auch ohne Behandlung nach einiger Zeit wieder verschwinden und mal stärker und mal schwächer sind, lässt sich die Wirksamkeit solcher Behandlungen nur durch vergleichende Studien beurteilen. Aus solchen Studien weiß man: Die meisten passiven Behandlungen sind nicht sehr wirksam, helfen nur kurzfristig oder sind bislang nicht ausreichend untersucht.
Bei chronischen Rückenschmerzen kommt auch eine sogenannte multimodale Schmerzbehandlung oder eine kognitive Verhaltenstherapie infrage. Dabei werden Bewältigungsstrategien im Umgang mit Schmerzen vermittelt – zum Beispiel, wie man Gedankenmuster verändert, die Schmerzen verstärken können.
Häufig wiederkehrende oder anhaltende Kreuzschmerzen können zu längeren Fehlzeiten im Beruf führen. Dann besteht unter Umständen die Möglichkeit, eine ambulante oder stationäre Rehabilitation zu machen. Ziel ist, die Beschwerden soweit in den Griff zu bekommen, dass ein normaler Alltag wieder möglich ist. Eine Rehabilitation kommt also nicht nur bei einer drohenden Berufsunfähigkeit infrage.
Oft besteht eine Rehabilitation aus einem sogenannten multidisziplinären Behandlungsprogramm, bei dem verschiedene Berufsgruppen wie Ärztinnen und Ärzte sowie physiotherapeutisches und psychologisches Fachpersonal zusammenarbeiten. Die Elemente des Programms – beispielsweise Medikamente, Physio-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie – sollten dabei auf die persönliche Situation abgestimmt werden. Eine Rehabilitation dauert in der Regel drei Wochen.
Chronische Kreuzschmerzen können körperlich und psychisch sehr belastend sein. Vielen Betroffenen hilft es, mit der Zeit Strategien zu entwickeln, um besser mit den Schmerzen umgehen und die Beschwerden bewältigen zu können. Psychologische Behandlungen wie eine kognitive Verhaltenstherapie können dabei unterstützen.
Die Hausarztpraxis ist meist die erste Anlaufstelle, wenn man krank ist oder bei einem Gesundheitsproblem ärztlichen Rat braucht. In unserem Thema „Gesundheitsversorgung in Deutschland“ informieren wir darüber, wie man die richtige Praxis findet – und mithilfe unserer Frageliste möchten wir dabei helfen, sich auf den Arztbesuch vorzubereiten.
Für Menschen mit chronischen Rückenschmerzen gibt es in Deutschland zahlreiche Angebote zur Unterstützung. Dazu gehören Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen. Viele dieser Einrichtungen sind aber vor Ort unterschiedlich organisiert. Eine Liste von Anlaufstellen hilft, passende Angebote zu finden und zu nutzen.
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Aktualisiert am 16.11.2022
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