Schreckliche Erlebnisse wie Katastrophen, Gewalterfahrungen, sexueller Missbrauch oder schwere Unfälle können das Leben danach stark belasten und Menschen regelrecht aus der Bahn werfen. Man bezeichnet eine solche Erfahrung als Trauma, was in der Psychologie „seelische Verletzung“ bedeutet. Es wird dabei unterschieden zwischen einem Schocktrauma nach einem einzelnen Ereignis wie einem Unfall und einem anhaltenden Trauma, zum Beispiel infolge von Vernachlässigung.
Traumatische Erfahrungen sind manchmal nur schwer zu verarbeiten, und einige Menschen entwickeln daraufhin eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Sowohl Opfer als auch Zeuginnen und Zeugen eines dramatischen Ereignisses können eine PTBS entwickeln.
Typisch bei der PTBS ist, dass einen das Erlebte nicht loslässt und die belastenden Erinnerungen immer wiederkommen. Unterstützung durch andere Menschen ist in einer solchen Lebenssituation besonders wichtig. Eine Psychotherapie kann helfen, die Erfahrungen mit der Zeit zu bewältigen.
Eine posttraumatische Belastungsstörung ist gekennzeichnet durch
Aufgrund eines Traumas kann es zu weiteren psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder einer Suchterkrankung kommen. Auch eine „dissoziative Störung“ ist möglich, bei der zum Beispiel unerträgliche Erinnerungen aus dem Gedächtnis gelöscht werden oder sich Teile der Persönlichkeit verändern („abspalten“). Zudem entwickeln einige Menschen chronische Schmerzen, eine Essstörung oder Psychose.
Bei einer milden PTBS kommt es zu leichteren Beschwerden, oder sie treten nur vorübergehend in bestimmten Situationen auf, die an das Trauma erinnern. Dann kann der Alltag beinahe normal gestaltet werden. Dagegen können schwere Formen zu starken psychischen Beschwerden führen und so beeinträchtigen, dass ein Leben ohne Hilfe kaum mehr möglich ist. Manche Menschen entwickeln eine sogenannte „komplexe PTBS“. Bei dieser Form halten eine Reihe der genannten Beschwerden über mehrere Jahre an und sind sehr stark ausgeprägt. Eine komplexe PTBS entwickelt sich oft nach schweren oder wiederholten Traumatisierungen.
Die Ausprägung der Symptome hängt aber nicht nur von der Schwere des Ereignisses ab, sondern auch davon, wie jemand mit Belastungen umgehen kann.
Bei Kindern und Jugendlichen äußert sich ein posttraumatisches Belastungssyndrom oft anders als bei Erwachsenen. Häufig spielen sie das Erlebte in symbolischer Form immer wieder durch, zum Beispiel mit anderen szenischen Bildern und Beteiligten. Viele werden verhaltensauffällig, zum Beispiel sehr ängstlich oder aggressiv. Kindern und Jugendlichen mit einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung fällt es besonders schwer, ihre Gefühle zu regulieren. Ihre Selbst- und Fremdwahrnehmung ist stark beeinträchtigt und sie haben Schwierigkeiten, vertrauensvolle Beziehungen einzugehen.
Einer posttraumatischen Belastungsstörung geht immer ein Erlebnis voraus, das als lebensbedrohlich für sich und / oder andere empfunden wurde oder zu einer schweren körperlichen oder seelischen Verletzung geführt hat. Ursachen sind beispielsweise Gewaltverbrechen, Krieg, sexueller Missbrauch, Verkehrsunfälle, Naturkatastrophen und medizinische Notfälle wie etwa ein Herzinfarkt oder eine lebensgefährliche Blutung. Auch die Nachricht, dass eine nahestehende Person gestorben oder schwer erkrankt ist, kann als traumatisch empfunden werden.
Belastungen wie zum Beispiel eine Scheidung, Arbeitsplatzverlust oder Mobbing führen nicht zu einer posttraumatischen Belastungsstörung. Sie können aber einzelne typische PTBS-Symptome auslösen und manchmal auch Depressionen oder Angststörungen.
Ob und in welchem Ausmaß sich eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt, hängt davon ab,
Eine wichtige Rolle spielt, wie intensiv die Gefühle von Angst, Hilflosigkeit und Kontrollverlust in der traumatischen Situation waren, ob sie als lebensbedrohlich erlebt wurden und ob jemand Gewalt durch andere erfahren hat. Wie eine Situation wahrgenommen und bewertet wird, wirkt sich also stark darauf aus, ob eine posttraumatische Belastungsstörung entsteht.
Menschen mit psychischen Problemen wie Depressionen, Angststörungen oder Suchterkrankungen sind anfälliger für eine posttraumatische Belastungsstörung. Es gibt aber auch Menschen, die allgemein besser mit schrecklichen Ereignissen zurechtkommen als andere. Sie entwickeln seltener eine Belastungsstörung. Zudem können emotionale Zuwendung und soziale Unterstützung den Umgang mit dem Erlebten erleichtern – umgekehrt erhöht sich das Risiko für eine posttraumatische Belastungsstörung, wenn solche Hilfen fehlen.
Bestimmte Berufsgruppen sind eher mit dramatischen Ereignissen konfrontiert. Dazu zählen Polizistinnen und Polizisten, Feuerwehrleute, Lokführende oder Rettungskräfte. Zudem sind Menschen in Kriegsgebieten deutlich häufiger betroffen.
In Deutschland haben etwa 2 bis 3 % der Bevölkerung im Laufe des Lebens mindestens einmal eine posttraumatische Belastungsstörung.
Wie oft es dazu kommt, hängt sehr von den Lebensumständen und vom Auslöser ab. Eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln ungefähr
Eine posttraumatische Belastungsstörung nach belastenden Ereignissen ist also nicht die Regel. Viele Menschen sind nach einem Trauma vielleicht immer wieder sehr traurig oder niedergeschlagen, wenn sie an das Erlebnis denken. Ihr Alltagsleben und Empfinden ist aber nicht nachhaltig beeinträchtigt. Zudem verblassen diese Gefühle oft mit der Zeit.
Eine posttraumatische Belastungsstörung kann sehr unterschiedlich verlaufen. Schon während oder kurz nach dem Trauma können erste Beschwerden auftreten. Es kann aber auch einige Zeit dauern, bis sie sich zeigen. Die Symptome können nach einigen Wochen zurückgehen, aber auch viele Jahre anhalten und chronisch werden. Es gibt Phasen mit schwächeren und Phasen mit stärkeren Beschwerden.
Möglich ist zudem, dass die Erinnerungen an das Trauma erst lange Zeit nach dem Ereignis belastend werden und jemand erst nach Jahren eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt. Dass Beschwerden erst mit Verzögerung auftreten, ist häufiger bei Soldatinnen und Soldaten zu beobachten. Ein weiteres Beispiel sind Kriegserinnerungen aus der Kindheit und Jugend, die für manche Menschen erst im hohen Alter belastend werden.
Vielen Menschen gelingt es, das Erlebte zu überwinden und mit den Erinnerungen zurechtzukommen. Schon innerhalb eines Jahres geht es einem Teil der Betroffenen deutlich besser – oft auch ohne Behandlung. Bei etwa 30 % bleiben die Beschwerden drei Jahre oder länger bestehen und sie entwickeln nicht selten weitere Probleme wie eine Suchterkrankung.
Starke Beschwerden können dazu führen, dass man im Alltag nicht mehr zurechtkommt. Manche Menschen verlieren ihren Job, weil sie aufgrund von Schlaf- und Konzentrationsproblemen den beruflichen Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Oder sie werden bei der Arbeit immer wieder an das Ereignis erinnert – was es erschweren kann, den Beruf weiter auszuüben. Vor allem nach Missbrauchserfahrungen können sich auch sexuelle Probleme entwickeln.
Die Diagnose PTBS wird erst dann gestellt, wenn die Beschwerden über mehr als vier Wochen anhalten. Dies liegt daran, dass die meisten Menschen nach einem schweren Ereignis zunächst stark belastet sind und es immer eine Weile dauert, solche Erfahrungen zu verarbeiten. Beschwerden, die unmittelbar nach einem traumatischen Ereignis auftreten, werden zunächst als „akute Belastungsreaktion“ bezeichnet.
Eine posttraumatische Belastungsstörung kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Psychotherapeuten festgestellt werden. Im Rahmen dieser Gespräche geht es vor allem darum, herauszufinden, wie stark die Beschwerden sind und wie sehr sie die aktuelle Lebenssituation beeinflussen. Dabei werden die Lebensumstände wie die Familien-, Berufs- und Wohnsituation erfasst. Manchmal wird zusätzlich ein Selbstbeurteilungs-Fragebogen ausgefüllt. Bei Kindern kann Malen oder Spielen eine Möglichkeit sein, Zugang zu ihren Erlebnissen zu finden. Aber auch Gespräche mit den Eltern oder nahestehenden Personen spielen eine wichtige Rolle bei der Diagnostik.
Eine posttraumatische Belastungsstörung kann leicht übersehen werden, da etwa nach schweren Unfällen die körperlichen Verletzungen im Vordergrund stehen. Zudem bringen manche Menschen ihre psychischen Beschwerden nicht mit belastenden Ereignissen aus der Vergangenheit in Verbindung. Ein anderer Grund ist, dass es zunächst sehr schwerfallen kann, über bestimmte Ereignisse und Probleme zu reden. Gegenseitiges Vertrauen zu entwickeln, ist deshalb schon für die Diagnosestellung sehr wichtig.
Die Diagnosegespräche werden sehr behutsam geführt. Das Erlebte selbst wird nur angeschnitten – ausführlicher darüber zu berichten, ist nicht nötig.
Traumatische Erlebnisse können auch andere psychische Erkrankungen auslösen wie Depressionen oder Angststörungen. Auch sie müssen bei der Diagnose deshalb in Betracht gezogen werden.
Unmittelbar nach einem belastenden Ereignis sind emotionale Zuwendung und praktische Unterstützung wichtig, um mit dem Erlebten zurechtzukommen. Betroffene brauchen eine sichere Umgebung, in der sie vor weiteren Belastungen geschützt sind und Unterstützung finden. In welcher Form die Hilfe am besten geleistet wird, hängt vom Ereignis ab und davon, ob zum Beispiel eher Trost, Sicherheit oder organisatorische Hilfe benötigt wird. Medikamente sind zur Vorbeugung in der Regel nicht geeignet.
Zunächst ist es wichtig, die Bedürfnisse und Behandlungsziele zu klären. Welche Beschwerden stehen im Vordergrund? Was sind realistische Behandlungsziele, die mit den vorhandenen Therapien erreichbar sind? Welche zusätzliche Unterstützung ist nötig? Ist eine Behandlung überhaupt notwendig? Dazu kann man sich bei einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten beraten lassen.
Manche Menschen benötigen eine Psychotherapie, um wieder ins Leben zurückzufinden. Bei anderen reicht die Unterstützung durch Familie, Freundeskreis oder psychologische Beratungsangebote aus. Medikamente sind nur in bestimmten Situationen sinnvoll. Zudem gibt es vor allem in Kliniken weitere Angebote wie Körper-, Kunst- oder Musiktherapie, die oft ergänzend zu den anderen Behandlungen angeboten werden.
Zentraler Teil einer Psychotherapie bei PTBS ist die sogenannte Traumatherapie. Dabei geht es darum, sich gezielt mit dem Erlebten auseinanderzusetzen. Es stehen verschiedene psychotherapeutische Verfahren zur Verfügung:
Im Rahmen einer Psychotherapie kann auch die sogenannte EMDR-Behandlung eingesetzt werden. EMDR (englisch: Eye Movement Desensitization and Reprocessing) bedeutet übersetzt etwa „Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegung“. Dabei werden während der therapeutischen Gespräche bestimmte Reize eingesetzt, um die Verarbeitung des Traumas zu erleichtern. Zum Beispiel bewegt die Therapeutin oder der Therapeut einen Finger gleichmäßig hin und her, dem die Patientin oder der Patient mit den Augen folgt.
Bestehen neben der PTBS noch weitere psychische Erkrankungen, muss je nach Situation entschieden werden, welche Störung vorrangig behandelt wird.
Ein traumatisches Ereignis kann das Leben stark beeinträchtigen. Auf der anderen Seite schafft es ein Teil der Betroffenen mit der Zeit, recht gut mit dem Erlebten zurechtzukommen. Bis dahin kann aber viel Unterstützung und Zuwendung nötig sein.
Die Beschwerden können sich auch auf soziale Beziehungen auswirken, da nach einem traumatischen Erlebnis oft das Vertrauen in andere Menschen verloren geht. Dann fällt es schwer, neue Freundschaften zu schließen oder Beziehungen aufrecht zu erhalten. Auch das Sexualleben kann stark beeinträchtigt sein. Manche Menschen mit einer PTBS ziehen sich extrem zurück. Umso wichtiger ist es, dass nahestehende Menschen ihnen die Treue halten, auch wenn die Beziehung schwieriger sein kann als vorher.
Einige Menschen müssen zum Beispiel nach einem Unfall oder Gewaltverbrechen jahrelange Rechtsstreitigkeiten führen. Dies kann zusätzlich sehr belasten. Eine gute juristische Unterstützung ist dann wichtig, um die Situation zu erleichtern.
Um im Beruf und im sozialen Leben wieder Fuß zu fassen und im Alltag zurechtzukommen, stehen gezielte Hilfen zur Verfügung – zum Beispiel die berufliche Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell oder Angebote zur psychosozialen Rehabilitation.
Bei Kindern und Jugendlichen kann eine PTBS auch den Schulalltag beeinträchtigen. Um ihre traumatischen Erfahrungen bewältigen zu können, brauchen sie ein verlässliches Umfeld und stabile Beziehungen – auch in der Kita und Schule. Dazu können Erziehungs- und Lehrkräfte viel beitragen. Sie finden unter „Extras“ eine Broschüre, die helfen soll, Kinder und Jugendliche, die ein Trauma erlebt haben, besser zu verstehen und zu unterstützen.
Die Telefonseelsorge bietet Unterstützung bei akuten Problemen und vermittelt auch weitere Hilfen. Darüber hinaus stehen verschiedene Beratungsangebote zur Verfügung.
Die Bundespsychotherapeutenkammer bietet auf ihrer Internetseite eine Therapeutensuche an. Auf den Seiten der Deutschen Gesellschaft für Psychotraumatologie kann man speziell nach Traumatherapeutinnen und -therapeuten suchen.
Weitere Anlaufstellen sind:
Bertolini F, Robertson L, Bisson JI et al. Early pharmacological interventions for universal prevention of post-traumatic stress disorder (PTSD). Cochrane Database Syst Rev 2022; (2): CD013443.
Bisson JI, Cosgrove S, Lewis C et al. Post-traumatic stress disorder. BMJ 2015; 351: h6161.
Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie (DeGPT). Posttraumatische Belastungsstörung (S3-Leitlinie, in Überarbeitung). AWMF-Registernr.: 155-001. 2019.
Frommberger U, Nyberg E, Angenendt J et al. Posttraumatische Belastungsstörungen. In: Berger M (Ed). Psychische Erkrankungen – Klinik und Therapie. München: Urban und Fischer; 2015.
National Collaborating Centre for Mental Health (UK). Post-traumatic stress disorder: The management of PTSD in adults and children in primary and secondary care. (NICE Clinical Guidelines; No. 26). 2005.
Shalev A, Liberzon I, Marmar C. Post-Traumatic Stress Disorder. N Engl J Med 2017; 376(25): 2459-2469.
Sin J, Spain D, Furuta M et al. Psychological interventions for post-traumatic stress disorder (PTSD) in people with severe mental illness. Cochrane Database Syst Rev 2017.
IQWiG-Gesundheitsinformationen sollen helfen, Vor- und Nachteile wichtiger Behandlungsmöglichkeiten und Angebote der Gesundheitsversorgung zu verstehen.
Ob eine der von uns beschriebenen Möglichkeiten im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist, kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt geklärt werden. Gesundheitsinformation.de kann das Gespräch mit Fachleuten unterstützen, aber nicht ersetzen. Wir bieten keine individuelle Beratung.
Unsere Informationen beruhen auf den Ergebnissen hochwertiger Studien. Sie sind von einem Team aus Medizin, Wissenschaft und Redaktion erstellt und von Expertinnen und Experten außerhalb des IQWiG begutachtet. Wie wir unsere Texte erarbeiten und aktuell halten, beschreiben wir ausführlich in unseren Methoden.
Aktualisiert am 02.01.2023
Nächste geplante Aktualisierung: 2026
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)