Jeder kennt das Gefühl, gestresst zu sein. Doch kaum jemand weiß wirklich, wie Stress entsteht und was man dagegen tun kann. Wir klären auf.
Kaum jemand kennt das Gefühl von Stress nicht. Dabei hat Stress selbst erst mal in der engeren Definition nichts mit einem Gefühl zu tun, sondern beschreibt vielmehr die körperliche und psychische Reaktion auf eine bestimmte Situation. Trotzdem hat Stress eine zentrale Rolle in unserer Gesellschaft eingenommen und ist im allgemeinen Sprachgebrauch gängiger Ausdruck für eine negative Gefühlslage geworden, teilweise zu einer Warnung an das Gegenüber: „Vorsicht, ich bin gestresst.“ Dabei ist Stress in seiner Ursprungsfunktion alles andere als schlecht und hat auch heute noch, sofern er in Maßen auftritt, eher positive Auswirkungen auf den menschlichen Körper.
Darum ist Stress ein Lebensretter
Stress ist nämlich so alt wie die Menschheit und sichert seit jeher unser Überleben. Übrigens nicht nur bei der Gattung Mensch – auch Tiere erleben Stresszustände. Schon vor Millionen von Jahren half Stress allen Lebewesen dabei, die Flucht zum Beispiel vor einem Angreifer oder gefährlichen Naturphänomenen zu meistern. Trat eine Gefahrensituation auf, wurden schon damals Herzschlag und Atmung schneller, die Pupillen weiteten sich und die Muskulatur des Körpers spannte sich an. Für die Flucht irrelevante Faktoren, wie etwa die Verdauung, wurden hingegen heruntergefahren. Nun war ein Maximum an Energie für den Körper verfügbar. Diese Mechanismen sind uns bis heute erhalten geblieben. Sie liegen uns sozusagen im Blut.
Durch den Körper jagt dafür eine Vielzahl an Botenstoffen wie Adrenalin und Kortisol. Der Mensch ist bestens für die Flucht vorbereitet. Nur fehlt heutzutage im nächsten Schritt die Flucht, die diese Stoffe wieder abbaut und für eine Entspannung des Körpers sorgt. Denn der Druck, den wir bei Überlastung im Büro oder bei einem Schreck nach einem Unfall empfinden, können wir ja schlecht im Moment des Geschehens durch einen Sprint wieder abbauen. Im Büro müssen wir die Situation aushalten. Nach einem Unfall liegen wir möglicherweise mit einem gebrochenen Bein auf dem Boden. Es staut sich also etwas im Körper an, was wir in der Umgangssprache als Stress definieren und das kann schwerwiegende Probleme auslösen.
So äußert sich nicht abgebauter Stress
Wenn diese körperlichen Reaktionen nicht in ihrer Ursprünglichkeit abgebaut werden können, kommt es im schlimmsten Fall zu körperlichen Problemen wie (Ein-)Schlafstörungen, Verdauungsproblemen, Magenkrämpfen, Sehstörungen oder Migräne.
Aber auch Ungeduld und eine höhere Reizbarkeit können Ausdruck von Stress sein. Es beginnt ein Teufelskreis. Denn häufig werden gestresste Personen von ihrem Umfeld als gereizt und unzufrieden wahrgenommen, während sie sich selbst missverstanden und abgelehnt fühlen. Personen, die über einen langen Zeitraum unter dem sogenannten Dauerstress leiden, haben nicht selten auch körperliche Veränderungen, zum Beispiel im Gewebe sichtbare Durchblutungsstörungen. Chronischer Stress ist daher ein echtes Lebensrisiko.
Woher kommt Stress?
Nicht immer ist es der Klassiker Job. Natürlich hat Leistungsdruck einen hohen Einfluss auf das empfundene Stresslevel. Doch oft liegen die Ursachen auch im Privaten, in der Partnerschaft, an einer Reizüberflutung, Konflikten, negativen Gefühlen oder Schicksalsschlägen.
Wer erste Warnsignale des Körpers überhört und keine Achtsamkeit mit sich selbst praktiziert, bedroht sich letztlich selbst und bringt sich im Extremfall in akute Lebensgefahr.
Unterscheidung in kurzfristigen und langfristigen Stress
Entscheidend sind die Dauer und die Art des Stresses. Denn während eine kurzfristige und punktuelle Stressreaktion sogar gesundheitsfördernd sein kann, bewirkt lang anhaltender und ganzheitlicher Stress eine deutliche Verschlechterung der Gesundheit.
Wer kurzzeitig unter Stress gerät, schläft besser, ist ausgeglichener und belastbarer. Stresssituationen erhöhen das Alter. Entscheidend dafür ist jedoch, dass der Körper und insbesondere das Hormonsystem wieder herunterfährt. In der Regel darf eine kurzfristige Stresssituation maximal 15 Minuten dauern. Die Leistungsfähigkeit nimmt zu.
Langfristiger Stress sorgt hingegen für eine dauerhafte Steigung des Blutzuckerspiegels und ohne Abbau zu einer Übersäuerung des Blutes. Der Körper und das Immunsystem werden geschwächt und auch die Geschlechtsdrüsen leiden massiv. Das Gehirn kann diesen Druck nicht verarbeiten und es kommt zu einer Verringerung der Verästelungen im Gehirn und die Leistungsfähigkeit nimmt spürbar ab. Es droht ein Burn-out, ein Herzinfarkt oder eine schwere Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes.
Frauen sind anfälliger für Stress
Frauen sind nicht nur schneller gestresst als viele Männer, sondern Stress hat für den weiblichen Körper noch weitaus fatalere Folgen. Denn er bringt den gesamten weiblichen Hormonhaushalt in Dysbalance und das ist die häufigste Ursache für einen unerfüllten Kinderwunsch. Auch leiden Frauen häufiger an Depressionen.
Was kann man dagegen tun?
Die wichtigste Frage ist die nach der Ursache. Da Stress sehr individuell empfunden wird, gibt es keine pauschalen Auslöser – jeder Mensch ist einzigartig in seinem Stressempfinden. Außerdem spielen auch genetische Faktoren eine Rolle.
Dennoch sollte eine gute Ursachenforschung angegangen werden. Manchmal empfiehlt es sich, diese mit einem Therapeuten gemeinsam durchzuführen.
Generell hilft die klassische Form der Bewältigung durch Bewegung: Sport, Spazierengehen oder Sex sind Klassiker und bauen Stress spürbar ab. Aber auch andere Tätigkeiten können helfen. Zentral ist dabei, dass das Gehirn auf andere Gedanken kommt und sich entspannt. Daher können – je nach Charakter – auch Lesen, Tanzen oder ein Kinobesuch mit einer Freundin helfen.
Diese Übung verringert akuten Stress
Man legt sich mit dem Rücken auf ein flaches Kissen, sodass der Oberkörper leicht erhöht ist. Die Beine werden zunächst angewinkelt aufgestellt und dann seitlich auseinandergeklappt, die Fußsohlen liegen aneinander, die Arme werden in U- oder V-Haltung vom Körper weggestreckt. Bei geschlossenen Augen sollte nun etwa 30-60 Sekunden tief in die Brust ein- und ausgeatmet werden.
Nun tippen für insgesamt 5-10 Minuten unter Beachtung einer ruhigen Ein- und Ausatmung Zeige- und Mittelfinger in gleichmäßigem Rhythmus (alle ein bis zwei Sekunden) auf das Brustbein. Dabei sollte man bewusst an etwas Positives denken, was für Glücksgefühle sorgt. Nun wandern die beiden Finger in derselben Bewegung zum Kopf, wo das Tippen auf dem Scheitel fortgesetzt wird. Anschließend geht es zurück zum Brustbein. Wichtig ist die bewusste und tiefe Atmung.
Was kann man noch präventiv tun?
Entscheidend ist die innere Haltung zum Thema Stress sowie die Wahrnehmung der eigenen Person. Wer autonom lebt, seine Ziele selbst setzt und bewusst angeht, lebt Forschungen zufolge zufriedener und ist emotional stabiler als andere Menschen. Die Beziehungen haben eine wichtige Rolle für das Stresslevel und das Setzen und Einhalten von Grenzen wirkt als wahrer Schutzfaktor.