Es ist kurz vor 19 Uhr. Eigentlich die Zeit, zu der zu Abend gegessen wird – zumindest für die meisten Menschen. Während die klassisch 9-to-5-Beschäftigten von ihrem Tag erzählen und nach ihrer Mahlzeit vielleicht noch einen Film schauen, ist es für circa 8 % der Deutschen bald an der Zeit, aufzustehen – denn sie arbeiten in Nachtschichten in der Zeit von 23 bis 6 Uhr.
Die innere Uhr
Nachts zu arbeiten und tagsüber zu schlafen, ist eine große Herausforderung für den Körper, sagt Diplom-Ökotrophologin und Ernährungsberaterin Susanne Mühlenweg aus Remscheid. Der Tages- und Nachtrhythmus ist evolutionär verankert und wird vom Körper vorgegeben. Durch regelmäßige Mahlzeiten, Arbeits- und Freizeitaktivitäten sowie besonders stark durch den Wechsel von Tageslicht zu Dunkelheit kann der Rhythmus jedoch beeinflusst werden. Ein Leben völlig entgegensetzt der normalen Tages- und Nachtrhythmen ist allerdings nur schwer möglich. Selbst wenn Räume so gut es geht abgedunkelt werden, stehen für Schichtarbeiter tagsüber immer wieder Termine an, die in die eigentlich nötige Ruhephase fallen. Wenn zusätzlich noch häufig von Tages- zu Abend- oder Nachtschichten gewechselt wird, kann sich der Körper umso schlechter an einen bestimmten Rhythmus gewöhnen – die körperlichen Auswirkungen werden entsprechend deutlicher spürbar.
Die Folgen von Schichtarbeit
Neben Schlaf- und Konzentrationsproblemen hat Susanne Mühlenweg immer wieder Patienten, die besonders über Magen-Darm- und Herz-Kreislauf-Probleme klagen. „Der kaum vermeidbare Mangel an völliger Ruhe und der unstete Alltag führen bei vielen Schichtarbeitenden – gerade in der Nachtschicht – außerdem zu Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen und dauerhaft schlechter Laune.“ Um diese Effekte abzumildern, sei eine ausgewogene und gesunde Ernährung essenziell.
Mit festem Plan den Takt vorgeben
Da der Körper in der Schichtarbeit Probleme hat, einen Rhythmus zu finden, „kann man ihm mit festeingeplanten Mahlzeiten einen gewissen Takt vorgeben.“ Verdauungs- und Stoffwechselprozesse bekommen so eine Regelmäßigkeit, die auf Dauer Magen-Darm-Beschwerden oder auch Appetitlosigkeit vorbeugt. Lange Abstände zwischen Mahlzeiten sollten zudem vermieden werden, denn so senkt sich der Blutzuckerspiegel. Die Folge ist ein großes Müdigkeitstief.
Mit leichter Kost durch die Nacht
Um trotz der Schwierigkeiten mit genügend Energie durch die Nacht zu kommen, sollte zunächst immer auf den Flüssigkeitshaushalt geachtet werden. Mindestens zwei Liter, verteilt auf Tag und Nacht, halten den Kreislauf aktiv und unterstützen die Verdauung. Dies ist besonders wichtig, denn während der Kernarbeitszeit von Nachtschichtarbeitenden „ist die Aktivität des Magen-Darm-Trakts etwas geringer als tagsüber“, so Mühlenweg. Falls möglich, sollten warme Gerichte gegessen werden, um dem Einschlafsignal der nachts üblicherweise fallenden Körpertemperatur etwas entgegenzuwirken. Heißgetränke können dabei ähnliche Effekte haben wie zum Beispiel Suppen. Auf fettige, schwer verdauliche Lebensmittel sollte allerdings verzichtet werden, denn durch die geringere Menge an Verdauungssäften im Darm muss der Körper wesentlich mehr Kraft für die Verdauung aufwenden, die an anderer Stelle dann entsprechend fehlt.
Gleich gesund, anders verteilt
Menschen verbrauchen bei der Nachtarbeit aber generell nicht mehr Energie als am Tag. Deswegen sollte auch nicht mehr oder kalorienreicher gegessen werden, sondern lediglich anders verteilt. Um die optimale Leistungsfähigkeit in der Nacht zu haben, sollte ein Viertel des täglichen Energiebedarfs bereits beim Mittagessen aufgenommen werden. Vor der Arbeit circa 20 % und ein weiteres Viertel in der Nacht zwischen 0 und 1 Uhr. Die restliche Energie wird durch regelmäßige Zwischenmahlzeiten aufgenommen. „Viele Nachtarbeiter erzählen mir, dass sie zwischendurch immer wieder extrem zuckerhaltige Süßigkeiten naschen, um wach zu bleiben. Doch der kurzzeitige Aufputscheffekt kehrt sich leider um. Die in Süßigkeiten enthaltene Zuckerart wird sehr schnell in Fett umgewandelt, sodass man noch müder wird als zuvor.“ Mit eiweiß- und kohlenhydrathaltiger Kost führt man dem Körper hingegen stetig geringere Energiemengen zu und verhindert so effektiver den plötzlichen Müdigkeits-Knockout. So fühlt man sich auch am nächsten Tag noch fitter und aktiver.