Der Herbst: Manche lieben ihn, andere wiederum trauern dem Sommer hinterher – und entwickeln einen Blues, den sogenannten Herbstblues. Was dahintersteckt, worin die Unterschiede zu einer saisonalen Depression liegen und wie man den Herbstblues vertreibt.
Grauer Himmel, kürzer werdende Tage und einstellige Temperaturen – der Übergang in die kalte Jahreszeit kann taff sein. Und manch einem oder manch einer so sehr aufs Gemüt schlagen, dass man von einem Herbstblues spricht. Das Phänomen beschreibt eine saisonal bedingte, vorübergehende Stimmungseintrübung, die typischerweise mit weniger Tageslicht, kühleren Temperaturen und mehr Zeit drinnen einhergeht. Ursächlich für den Herbstblues ist vor allem die Tatsache, dass wir im Gegensatz zum Sommer deutlich weniger Tageslicht abbekommen. Tageslicht hemmt normalerweise die Ausschüttung von Melatonin, dem Hormon, das uns müde macht. Die viele Zeit in Dunkelheit lässt uns träge und antriebslos werden, weil wir zu viel Melatonin im Körper haben. Die Folge: Der Serotoninspiegel hingegen sinkt aufgrund der mangelnden Bewegung und Sonneneinstrahlung. Und Serotonin, auch als Glückshormon bezeichnet, hebt die Stimmung. Ein Rückgang der Produktion begünstigt die für den Herbstblues typische Trübseligkeit und Melancholie. Auch der durch fehlende Sonne verursachte Vitamin-D-Mangel unterstützt die gedrückte Stimmung.1 Doch die gute Nachricht lautet: Dem Herbstblues kann man mit gezielten Maßnahmen begegnen. Was die Stimmung aufhellt, hat uns der Psychotherapeut Mathias Heinicke, Vorsitzender des Bundesverbands der Vertragspsychotherapeuten, verraten.
Bye-bye, Herbstblues! Diese Tipps gibt ein Psychologe
Herr Heinicke, vorab bitte eine Begriffsklärung: Was sind die Unterschiede zwischen einem Herbstblues und einer saisonalen Depression?
Bei der saisonalen Depression sprechen wir von einer anhaltenden Niedergeschlagenheit, Interessenverlust, Antriebsmangel, Schlaf- und Essstörungen. Wichtig ist, dass die Symptome regelmäßig wiederkehren: Menschen kommen über das Jahr meist gut zurecht, rutschen aber im Herbst oder Winter in deutlich ausgeprägte depressive Symptome. Das ist ein Herbst-Winter-Phänomen, assoziiert mit Helligkeitsverlust. Die Trennlinie zum Herbstblues ist nicht messerscharf, aber es geht um die Stärke der Symptome und die Wiederkehr über mehrere Jahre hinweg.
Wie kann man selbst erkennen, ob die Verstimmung „nur“ ein Herbstblues ist oder schon behandlungsbedürftig?
Das hängt von der Stärke und Dauer der Symptome ab. Nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) gilt als Hauptkriterium, dass die eben genannten Symptome einer saisonalen Depression mindestens zwei Wochen am Stück anhalten. Kommen suizidale Gedanken dazu oder das Gefühl, „es hat alles keinen Sinn mehr“, dann bitte nicht abwarten, sondern frühzeitig Hilfe holen.
Verraten Sie uns Ihre Tipps gegen den Herbstblues?
Das Wichtigste ist Tageslicht: Auch wenn der Himmel wolkenverhangen ist, kommt genug Licht durch. Eine einfache Faustregel lautet, sich etwa 30 Minuten pro Tag draußen aufzuhalten – idealerweise in der Mittagspause als kurzer Spaziergang. Dazu kommt Bewegung: Auch wenn es schwerfällt, lohnt es sich, jetzt anzufangen und nicht bis zum Neujahrsvorsatz zu warten. Sehr hilfreich sind soziale Kontakte, zum Beispiel feste Kurse im Fitnessstudio oder Gruppenaktivitäten. Das Miteinander und gemeinsames Lachen wirken stimmungsaufhellend und senken Stress. Bewährt hat sich außerdem die Lichttherapie: Starklichtlampen aus dem Handel können beim Herbstblues tatsächlich unterstützen, auch wenn sie keine klassische Depression behandeln. Und trotz der früh einsetzenden Dunkelheit sollte man den eigenen Tagesrhythmus möglichst beibehalten – feste Essens- und Schlafenszeiten, klare Strukturen, gerade im Homeoffice mit einer eigenen Stundenplanung.
Empfehlungen gegen den Blues – drei Tipps im Überblick
- Tageslicht: Tageslicht hat einen hohen Blauanteil. Dieses blaue Licht macht munter – selbst bei wolkenverhangenem Himmel. Zuständig für diesen Effekt sind die sogenannten retinalen Ganglienzellen, spezielle Nervenzellen im Auge. Trifft das blaue Licht ab einem Frequenzbereich von etwa 480 Nanometern auf sie, wird die Produktion von Melatonin gehemmt. Ideal ist, etwa eine halbe Stunde im Freien zu verbringen, um sich fit zu machen. Auch bei schlechtem Wetter ist die Lichtstärke draußen immer noch deutlich höher als in geschlossenen Räumen am Fenster.
- Kaltes Wasser: Wer morgens kalt duscht, mobilisiert seine Abwehrkräfte. Einfach die Brause vom Schlauch abschrauben und dann den Körper mit Wasser begießen. Dabei immer an der dem Herz fernsten Stelle beginnen, bei einem Ganzkörperguss also am rechten Fußrücken. So kann sich der Kältereiz langsam ausbreiten. Außerdem sollte man vor Beginn des Gusses einatmen und dann mit dem Guss ausatmen. So spart man sich das schreckhafte Luftschnappen. Wer nicht seinen ganzen Körper behandeln möchte oder kann, der kann sich auf Beingüsse beschränken.
- Ernährung: Vollkornprodukte, Kartoffeln, Nüsse und Bananen sind reich an wichtigen B-Vitaminen, vor allen Dingen Vitamin B1 und damit gut für unseren Denkapparat. Genau gesagt kurbelt der im Volksmund auch Stimmungsvitamin genannte Stoff die Konzentration an und hilft gegen Reizbarkeit. Aber auch das in fettem Fisch vorkommende Vitamin D verbessert die Stimmung.
Fazit: Einfache Maßnahmen versprechen Erfolg
Auch, wenn die Tipps banal erscheinen: An die frische Luft gehen, sich bewegen, soziale Kontakte pflegen – dadurch verbessert sich die Stimmung oft schon von selbst. Hilfreich kann auch ein Perspektivenwechsel sein. Denn der Herbst hat zweifelsohne auch wunderschöne Seiten: eine einzigartige Farbenpracht, oft mildere Temperaturen, als man denkt – und ein warmes, goldenes Licht, das Landschaften zum Strahlen bringt. Zugleich kann man sich es zuhause mit einem guten Buch und einer Tasse Tee so richtig gemütlich machen. In diesem Sinne: Bye-bye, Herbstblues!