Bochum - Der Geschäftsbericht 2021 weist eine solide Basis für künftige Herausforderungen aus. Einnahmen der VIACTIV von rund 2.99 Milliarden Euro standen in 2021 Ausgaben in Höhe von rund 3.02 Milliarden Euro gegenüber. Der Überschuss der Ausgaben betrug damit rund 24 Millionen Euro. Im letzten Jahr hatten alle Krankenassen, deren Vermögen eine definierte Grenze überschritt, einen Teil davon in den Gesundheitsfonds zur Stützung der Finanzen aller Kassen zu überweisen. Für die VIACTIV wurde ein Beitrag in Höhe von 44,8 Millionen Euro festgesetzt. Ohne diese Vermögensabgabe hätte ein positives Ergebnis für 2021 ausgewiesen werden können.
Auch im vergangen Jahr setzte sich die positive Entwicklung bei der Anzahl der Versicherten fort. Insgesamt konnten 36.453 neue Kundinnen und Kunden gewonnen werden. Diese haben wesentlich dazu beigetragen, dass die Zahl der VIACTIV-Versicherten auch 2021 größer geworden ist.
„Die guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bis zum Jahr 2019 wurden von den Handelnden in der Politik nicht genutzt, um die Finanzen in der Gesetzlichen Krankenversicherung nachhaltig zu stabilisieren. Im Gegenteil – die Maßnahmen zielten in aller Regel auf die Verbesserung der Honorarsituation der Leistungserbringer ab und nutzten weniger den Kunden der Kassen. Die zwangsläufigen Defizite konnten, insbesondere vor dem Hintergrund der Pandemie, nur durch hohe Bundeszuschüsse, Eingriffe in die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds und die oben beschriebene Vermögensabgabe aller Kassen aufgefangen werden, sagt der Vorstandsvorsitzende Markus Müller. „Das jetzt im Bundeskabinett abgestimmte GKV-Finanzstabilisierungsgesetz hätte die Chance geboten, einige entlastende Hebel kurzfristig umzulegen, wie etwa den Steuerzuschuss für die ALGII-Empfänger auf das notwendige Maß anzuheben. Die Reduzierung der Mehrwertsteuer bei Human-Arzneimitteln hätte ebenfalls zu einer Entlastung geführt. Langfristig aber brauchen wir mehr Effizienz und Qualität im Gesundheitswesen, um nachhaltig Kosten zu reduzieren“, so Müller.
Das Minus des Jahres 2021 konnte den Rücklagen entnommen werden, die weiterhin dem vorgesehenen Soll-Betrag entsprechen (51,6 Millionen Euro). Zusätzlich wird als Betriebsmittel ein Betrag in Höhe von 36,6 Mio. Euro vorgehalten. Die VIACTIV verfügt also weiterhin über finanzielle Puffer und damit über eine solide Finanzausstattung.
Der Vergleich der Einnahmen- und Ausgabenseite weist ein verbessertes Geschäftsergebnis im Vergleich zu 2020 aus: Das etwas stärkere Plus bei den Einnahmen (+ 7,9 Prozent) gegenüber den Ausgaben (+7,4 Prozent) erlaubte es, den Zusatzbeitrag am 1. Januar 2022 stabil zu halten. „Obwohl wir gut gewirtschaftet haben, steht für 2021 unter dem Strich ein Minus von 24,5 Mio. Euro. Nur durch den Griff des Gesetzgebers in die Rücklagen der Kassen, haben auch wir ein Defizit“, betont Müller.
Der größte Ausgabenblock bleibt die Krankenhausbehandlung mit rund 965 Millionen Euro. „Da die Pflegepersonalkosten seit dem 1. Januar 2020 nicht mehr Teil des pauschalen Vergütungssystems (DRG) sind, sondern gesondert vergütet werden, rechnen wir mit weiteren, deutlichen Mehrkosten“, hebt Markus Müller hervor. „Die komplexen Verhandlungen mit den Krankenhäusern haben sich auch aufgrund der Corona-Pandemie verzögert. Insgesamt werden sich die Mehrkosten erst in diesem Jahr beziffern lassen. Daher haben wir für die Jahre 2020 und 2021 einen Betrag in Höhe von 31,5 Mio. Euro zurückstellen müssen.“ Als zweithöchster Posten folgen Ausgaben für Arzneimittel mit rund 514 Millionen Euro. Die ambulante ärztliche Behandlung mit 495 Millionen Euro steht an dritter Stelle. Die Ausgaben für Zahnarztbehandlungen und Zahnersatz betragen rund 164 Millionen Euro. Die Verwaltungskosten belaufen sich auf 4,8 Prozent der Gesamtausgaben.
Konsequente Kundenorientierung
Über die gesetzlich festgeschriebenen Leistungen hinaus beliefen sich die Ausgaben für zusätzliche Satzungsleistungen auf rund 9,2 Millionen Euro - ein Betrag, der mit einem Plus von 83 Prozent deutlich über dem Schnitt aller Kassen liegt. Während die VIACTIV 12,71 Euro je Versicherten aufwendet, beträgt der durchschnittliche Wert der GKV 6,96 Euro. „Wir legen großen Wert auf die Gesundheitsvorsorge unserer Versicherten und belohnen diese in besonderem Maße“, sagt Vorständin Dr. Simone Kunz. Der leichte Rückgang gegenüber dem Vorjahr liegt darin begründet, dass die Leistungen für die Free Style Libre Messgeräte bei Diabetes im Laufe des Jahres 2020 in die Regelversorgung überführt wurden. Deutlich gestiegen in der Einzelbetrachtung sind die Ausgaben für Osteopathie (5,2 Millionen Euro) und professionelle Zahnreinigung (3,7 Millionen Euro). „Mit besonderen Angeboten wie unserem 550 Euro Budget für Kurse oder dem Sportcheck setzen wir bewusst auf Prävention und treffen die Bedürfnisse unserer Versicherten. Diese konsequente Kundenorientierung bei Angebot und Service werden wir weiter vorantreiben. Durch unser vielfach prämiertes Serviceangebot haben wir uns unter den Top-Kassen innerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherer etabliert“, so Simone Kunz.
Technisches Meisterstück
Mit der Fusion von VIACTIV und BKK Achenbach-Buschhütten zum 01.07.2021 ist der VIACTIV in organisatorischer und technischer Hinsicht ein Meilenstein geglückt. „Vor allem mit der technischen Fusion der BKK Achenbach-Buschhütten in die VIACTIV haben wir einen positiven Schritt getan, um auch zukünftig unseren Versicherten einen schnellen, zuverlässigen und exzellenten Service zu gewährleisten. Die Fusion rundet die erfolgreiche Entwicklung in unserem Geschäftsjahr 2021 ab. Angesichts künftiger Herausforderungen sehen wir unsere VIACTIV sehr gut aufgestellt“, betonen die beiden Spitzen des Verwaltungsrates Ludger Hamers und Klaus-Peter Hennig.
Technische Innovationen weiterzuverfolgen und den digitalen Fortschritt im Sinne der Versicherten mitzugehen ist ein Muss. Denn der Finanzdruck auf die Gesetzlichen Krankenkassen nimmt weiter zu und die Diskrepanz zwischen Einnahmen und Ausgaben verfestigt sich. Insgesamt erwarten Experten für 2023 ein Minus in der Gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 17 Milliarden Euro, wobei die Folgen einer möglichen wirtschaftlichen Rezession und einer Verstärkung der Pandemie noch nicht eingerechnet sind. Der im Bundeskabinett beschlossene Entwurf zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz reagiert darauf nur unzureichend mit einem Sammelsurium von Maßnahmen, die allein die Beitragszahler und Arbeitgeber mit rund 11 Mrd. Euro über Gebühr belasten. Eine nachhaltige Strukturreform ist angekündigt, aber nicht in Sicht.